Werden wir dann auch so, wenn wir mit ihnen spielen?

Freitag, 29. Januar 2010

Das Eis ist schnell gebrochen
27.01.2010 - GINSHEIM-GUSTAVSBURG
Rhein Main Presse


KINDERHAUS Begegnung mit geistig Behinderten / Spielnachmittage als Pilotprojekt

"Werden wir dann auch so, wenn wir mit ihnen spielen?" Unsicher schauen drei Mädchen - Stammgäste im Kinderhaus Gustavsburg - auf die Kinder, die zum ersten Mal hier spielen und toben. "Nein, die Kinder haben eine Behinderung, das ist nicht ansteckend", beruhigt Anna Kildau vom familienentlastenden Dienst "Basis Mainspitze" die Mädchen.

Um Kinder mit und ohne Behinderung zusammen zu führen, organisierten die beiden familienentlastenden Dienste des "Basis Mainspitze" (Ginsheim-Gustavsburg) und der "Lebenshilfe"-Kreisvereinigung Groß-Gerau im Januar erstmals Spielnachmittage mit der Jugendpflege Ginsheim-Gustavsburg.

"Guten Tag", begrüßt der siebenjährige Dustin aus Groß-Gerau herzlich die schüchternen Mädchen und streckt ihnen seine Hand entgegen. Dustin spricht nur wenige Worte, er hat eine genetisch bedingte geistige Entwicklungsverzögerung. Als die Mädchen anfangen unsicher zu kichern, lacht Dustin einfach mit, legt einen Arm um eines der Kinder und sagt: "Spielen! Jetzt!"

Seit zehn Jahren organisieren die beiden familienentlastenden Dienste in allen hessischen Ferien Betreuungen für Kinder und Jugendliche mit geistigen Behinderungen. Seit März 2009 gilt in Deutschland die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Sie sorgt für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen - somit auch in Kindertreffs.

Für Jugendpfleger Guido Conradi, Gustavsburg, ist dies ganz selbstverständlich. Mit Interesse beobachtet er, wie sich die Kinder einander nähern: In der Vorstellungsrunde sind die Kinder ohne Behinderung noch sehr verhalten und betrachten neugierig die Kinder mit Down Syndrom oder Autismus. Die anschließenden Bastel- und Malangebote werden mit großem Interesse wahrgenommen - auch wenn sich die Kunstwerke der Kinder deutlich voneinander unterscheiden, herrscht gegenseitige Anerkennung. Spätestens bei der Disco, die am letzten Tag der Ferien organisiert wurde, fiel jede Scheu und die Kinder tanzten gemeinsam zu den neuesten Charthits.

"In den Osterferien geht´s weiter", sagt Ginsheims Jugendpfleger Conradi und Tatiana Roeder vom Familienentlastenden Dienst der Lebenshilfe hofft, dass noch andere Jugendpflegen des Kreises Interesse für Kooperationen zeigen.

Blog: Emma Lottas Neuigkeiten-Blog

Donnerstag, 28. Januar 2010

Blog: Emma’s Neuigkeiten-Blog, Trisomie 21, Fotos, Extrachromosom, Down-Syndrome, Down-Syndrom Blogs, Down Syndrom, Deutschland, deutsch, Behinderung Handicap, Baby,

Scheckheftgepflegt…

>>> Emmas Blog Startseite

… sagte Papa zu mir, als ich am Montag von meiner Inspektion vom Kinderarzt zurückgekommen bin. Am Montag war die U4, das ist keine U-Bahnlinie in Trier, sondern die 4. Vorsorgeuntersuchung nach der Geburt. Ich werde nun am Freitag schon 12 Wochen alt und meine liebe Kinderärtzin Julia wollte mal wieder sehen, was so aus mir geworden ist. Eigentlich könnte sie ja auch meinen Blog lesen, dann müsste ich nicht immer in ihre Praxis kommen… Nun denn - ich hab alles gegeben, auch mein Pipi auf Julia´s Handtuch. Tut mir leid, aber Mama war einfach zu langsam! Also: ich wiege jetzt schon 4.310g und bin ca. 53 cm lang. Meine genaue Länge ist schwer zu messen. Mama und Papa behaupten ja, ich sei sicherlich schon viel länger geworden! Mein Kopf ist auch um ganze 4 cm gewachsen und misst jetzt 36 cm im Umfang. Dann hat Julia noch mit mir geturnt, mit Licht und Glöckchen gespielt. Ich hab mich natürlich ganz auf sie eingelassen und mich über so viel Aufmerksamkeit gefreut. Und - was hab ich davon gehabt? Scharmlos ausgenutzt wurde meine Gutmütigkeit wieder einmal! Kaum reicht man den kleinen Finger, schnappen sich die Mädels meine Oberschenkel und Zack, erst in den linken, dann in den rechten eine Nadel! So was Gemeines! Ich hab gebrüllt, wie am Spiess! Offentsichtlich hat meine Mama sich auch von den Mädels um die Finger wickeln lassen und hat mich nicht gerettet. Dafür aber ganz doll getröstet und gesagt, das sei ganz wichtig für mich, damit ich gesund bleiben würde. Impfen nennen die Großen dieses Überfallkommando! Also liebe Freunde, passt nur auf, wenn ihr zur Inspektion müsst: das kann ganz schön gefährlich sein! Der Tag war anschliessend für mich gelaufen, dieses Impfen war ganz schön anstrengend für meinen doch schon soooo großen Körper und ich hab ganz viel geschlafen und mir war auch etwas warm. Mama hatte wohl ein schlechtes Gewissen und hat sich besonders prima um mich gekümmert - ich durfte ganz viel mit Mama kuscheln. Am nächsten Tag war ich dann fast wieder so wie immer, nur noch ein wenig müde.

Allerdings hatte der Besuch auch was Gutes: da ich ja so gerne mit Mama und Papa turne, darf ich jetzt auch außer Haus mit einem externen Übungsleiter turnen! Mama muss da einen Termin vereinbaren, mal schaun, was der drauf hat. Ich werd Euch auf jeden Fall weiter berichten.

Sonnige Wintergrüße,

Eure Emma Lotta.

Dario e il Papa

Mittwoch, 27. Januar 2010

Gefunden bei Herrn Alipius

ROM, RÖMER, AM RÖMSTEN
Was der Herr Alipius in Rom so alles erlebt


Dario e il Papa, Behinderung Handicap, Down Syndrom, Down-Syndrome, Extrachromosom, Fotos, Trisomie 21, Papst, Rom, Benedikt

Wichtig ist, dass man Integration trotz Schwierigkeiten praktiziert

Dienstag, 26. Januar 2010

Fire-Kids nehmen Joy an die Hand
Welche Erfahrungen Vordorfs Kinderfeuerwehr in einem Jahr mit einem Mädchen mit Down-Syndrom sammelt

Von Daniela Wimmer bei Newsclick

VORDORF. Seit einem Jahr ist Joy-Malin Mitglied der Kinderfeuerwehr "Fire-Kids" und findet Gefallen an Spiel, Spaß und Brandschutzerziehung. Was selbstverständlich klingt, ist es nicht, denn: Die Siebenjährige hat Trisomie 21, das Down-Syndrom.

Die Fire-Kids haben sich seit ihrer Gründung derart zum Dauerbrenner gemausert, dass 16 Kinder auf der Warteliste stehen. Als vor Jahresfrist Joy-Malin soweit vorgerückt war, das ihre Aufnahme bevorstand, haben die Betreuer Tanja Conti, Yvonne Engeler und Andrea Manz lange diskutiert, ob sie sich der Herausforderung stellen können, ohne dass die Arbeit mit den anderen Kindern zu kurz kommt.

Erleichtert wurde die Entscheidung, als Rüdiger Manz, selbst Vater einer von der Behinderung betroffenen Tochter, Joys individuelle Betreuung übernahm. "Wir haben es nicht bereut, auch wenn es bis heute nicht einfach ist", beschönigt Yvonne Engeler nichts.

Anfangs habe Joy nicht dableiben wollen und immer wieder versucht, wegzulaufen. Das habe sich gelegt, aber eine gewisse Distanz gerade zu Beginn des Dienstes sei immer spürbar. Während eine Gruppe Theorie im Schulungsraum hat, spielt die andere Feuerwehr-Memory. Ein paar Meter entfernt tauschen Joy und Rüdiger Manz in respektvollen Abstand zueinander die entsprechenden Karten. "Integration in die Gruppe ist das noch lange nicht", zieht Manz ein Fazit des ersten Jahres. "Dazu sind die Entwicklungsunterschiede zu groß".

Eine Prognose, wie es mit Joy weitergeht, ob sie etwa eines Tages in die Jugendfeuerwehr wechseln kann, wagt er nicht: "Rein rechtlich wäre es möglich." Ob er die Betreuung übernommen hätte, wenn er selbst nicht betroffen wäre, vermochte Manz nicht zu sagen, aber: "Es ist wichtig, dass das Angebot besteht". Nach wie vor ist Joy sehr scheu, möchte aber überall dabei sein und ist es auch. "Sie hat am dreitägigen Zeltlager der Samtgemeinde-Jugendwehren in Grassel teilgenommen", berichtet Engeler. "So manches Kind musste dort abgeholt werden, nicht aber Joy". Im Kreis der Kinder ist die Nähe größer. Es hat etwas von bemuttern, liegt aber wohl daran, dass Joy jünger wirkt, wenn Eileen, Sarah, Lisa oder Sophia ihrer Feuerwehrkollegin schon mal resolut die Schirmmütze gerade rücken oder sie an die Hand nehmen, wenn sie nicht mitmachen will. Aber Joy lässt es sich gern gefallen. "Für die Kinder war es eine bsoziale Herausforderung, die zur Selbstverständlichkeit im Umgang geworden ist", sagt Engeler.

Künstliche Befruchtung: Gibt es ein Recht auf ein gesundes Baby?

Montag, 25. Januar 2010

von Conny Schmid im Beobachter (2 / 2010)


Soll man im Labor gezeugte Embryos genetisch auf ihre Gesundheit untersuchen dürfen? Eine moralische Gratwanderung: auf der einen Seite verzweifelte Paare mit Kinderwunsch – auf der anderen die drohende Einteilung in «wertes» und «unwertes» Leben.

«Menschliches Leben wird zum Verbrauchsmaterial: künstlich erzeugt, computermässig durchgescreent, aussortiert und eingepflanzt.»
Ruth Baumann-Hölzle, Ethikerin


Sie sagt es ganz direkt: «Es war ein Egotrip. Ich wollte ein Kind besitzen.» Der Kinderwunsch erwachte bei der heute 49-jährigen Claudia Kündig (Namen aller Betroffenen geändert) allerdings reichlich spät, sie war bereits 45. «Vorher hat es einfach nie gepasst. Mal war der Job wichtiger, dann der Partner der falsche», erklärt sie. Als dann alles stimmte, war es für ein eigenes Kind auf natürlichem Weg zu spät. Sie wurde zwar mehrmals schwanger, erlitt aber immer Fehlgeburten. Ab dem 35. Altersjahr nimmt die Qualität der Eizellen generell rapide ab. Die Frühaborte hätten ihren Kinderwunsch jedoch nur verstärkt: «Ich sah ja, dass ich schwanger werden konnte. Ich wollte einfach nicht glauben, dass daraus kein Kind entstehen sollte.»

Claudia Kündig, heute Mutter eines zweijährigen Sohnes, holte sich medizinische Hilfe. Ob das Problem bei ihren Eizellen oder bei den Spermien des Partners lag, fand man nicht heraus. Nur, dass es ohne moderne Fortpflanzungsmedizin nicht gehen würde. Also entschloss sie sich zur In-vitro-Fertilisation, zur Befruchtung im Reagenzglas – so wie viele andere. Etwa 6000 Frauen lassen sich jährlich in der Schweiz künstlich befruchten, Tendenz steigend.

Zunächst schien es bei Claudia Kündig zu klappen: Zwillinge waren unterwegs. In der sechsten und in der achten Woche kam es aber erneut zu Fehlgeburten. Das war der Zeitpunkt, als sie erstmals daran dachte, für die Behandlung ins Ausland zu fahren. Denn im Gegensatz zur Schweiz ist es in anderen europäischen Ländern erlaubt, die im Labor gezeugten Embryos auf Chromosomenfehler zu untersuchen, bevor sie in den Mutterleib eingepflanzt werden. Dieser Teilbereich der Präimplantationsdiagnostik wird Aneuploidie-Screening genannt (siehe nachfolgendes Glossar). Embryos, die nicht lebensfähig sind, werden bereits vor dem Transfer aussortiert.

Kündig reiste nach Spanien. Dass sie mit der Auswahl von Embryos im Prinzip über wertes und unwertes Leben entscheidet, dachte sie kaum. Die Selektion überliess sie den Ärzten. «Für mich wars eine reine Geschäftsbeziehung: Wir liefern das Material, sie schauen, dass ich schwanger werde.»

«Mit dem Verbot der Präimplantationsdiagnostik verweigert man Menschen den Zugang zur bestmöglichen Behandlung.»
Bruno Imthurn, Leiter Kinderwunschzentrum Unispital Zürich


«Leben wird zu Verbrauchsmaterial»

Genau vor dieser Anspruchshaltung graut es Kritikern der Präimplantationsdiagnostik (PID). Zu ihnen gehört die auf ethische Fragen im Gesundheitswesen spezialisierte Theologin Ruth Baumann-Hölzle. Sie ist Mitglied der nationalen Ethikkommission für Humanmedizin. Auf der Suche nach einer Empfehlung hat die Kommission darüber beraten, ob und in welchem Umfang die PID in der Schweiz künftig erlaubt werden könnte. Der Bundesrat hatte vom Parlament schon vor knapp fünf Jahren eine Motion mit dem Auftrag erhalten, das Verbot zu lockern. Motionär und FDP-Ständerat Felix Gutzwiller, von Beruf Mediziner, musste mehrmals nachhaken, bis der Prozess in Gang kam. Der Bundesrat holte sich zunächst den Rat der Ethiker. In deren Kommission war man sich nicht einig. Eine Mehrheit des 18-köpfigen Gremiums will die PID künftig zur vorgängigen Abklärung schwerer Erbkrankheiten und für das Aneuploidie-Screening zulassen. Baumann-Hölzle zählt zur Minderheit, die die PID – wenn überhaupt – nur bei bereits betroffenen Paaren zulassen möchte. Die Tür zur Eugenik, zur genetischen Optimierung, würde sonst weiter geöffnet, begründet sie. Die PID sei eine Selektionsmethode für die Zuchtwahl menschlichen Lebens. Sie bilde die Grundlage für zweckgebundene Babys. «Menschliches Leben wird zum Verbrauchsmaterial. Zuerst künstlich erzeugt, dann computermässig durchgescreent, aussortiert und eingepflanzt.»

Baumann-Hölzles Befürchtungen sind nicht so weit hergeholt. Die Idee sogenannter Retter-Babys ist längst Wirklichkeit. Es sind Kinder, die als Organspender für bereits geborene, kranke Geschwister gezeugt werden. Auch in der Schweiz lebt ein solches Retter-Baby: Elodie, heute 5, ausgewählt mit PID in Belgien, heilte ihren an Granulomatose erkrankten Bruder Noah, 10, durch eine Knochenmarkspende. In den USA wird PID seit einigen Jahren für das sogenannte «family balancing» (etwa: «ausgewogene Familienplanung») eingesetzt. Mit Hilfe der PID wird das Geschlecht der Embryos bestimmt. Paare, die schon zwei Töchter haben, können so sicherstellen, dass das dritte Kind ein Junge wird.

«Es ist absolut unverständlich, weshalb man mit der Präimplantationsdiagnostik eine medizinische Abklärung verbietet, die Abtreibungen verhindern könnte.»
Conrad Engler, Sekretär Verein Kinderwunsch


Schweiz: Nur für Paare mit Erbkrankheiten

So weit will die Schweiz nicht gehen. Der Bundesrat hat 2009 einen Entwurf in die Vernehmlassung geschickt, der das Verbot lockert. Er ist aber restriktiver, als die Ethikkommission empfohlen hat: Das Aneuploidie-Screening bleibt untersagt. Chromosomenfehler wie etwa Trisomie 21 («Down-Syndrom») darf man somit weiterhin nicht vor dem Einpflanzen des Embryos abklären, und auch die Geschlechtsselektion oder die Zeugung von Retter-Babys sind verboten. Einzig den Ausschluss schwerer Erbkrankheiten will der Bundesrat unter strengen Voraussetzungen zulassen.

Profitieren könnten davon Menschen wie Marlene Bircher. Die 30-Jährige leidet am Hippel-Lindau-Syndrom, einer seltenen Erbkrankheit, die die Netzhaut, das Kleinhirn, das Rückenmark und andere Organe befällt und dort Tumore bildet. Bircher musste sich schon unzähligen Operationen unterziehen. «Mein Leben ist sehr beschwerlich, ich lebe unter ständiger medizinischer Kontrolle. Das wünsche ich wirklich niemandem», sagt sie. Trotzdem hegt sie den Wunsch nach eigenen Kindern. Das Risiko, dass ein Kind die Krankheit erbt, beträgt 50 Prozent. Es ist wie russisches Roulette. Dennoch will Bircher auf natürlichem Weg schwanger werden – auf die Gefahr hin, das Kind abtreiben zu müssen. Eine künstliche Befruchtung mit PID könnte diese «Schwangerschaft auf Probe» vermeiden. Dafür ins Ausland zu fahren komme für sie aber nur schon wegen der Sprache nicht in Frage, sagt Bircher. «Ausserdem ist es eine grosse psychische Belastung und letztlich auch eine Geldfrage.» Die Krankenkasse übernimmt keine Kosten für künstliche Befruchtungen (siehe auch nachfolgender Hinweis «Unfruchtbarkeit: Was die Krankenkasse zahlt – und was nicht»).

«Mit der Präimplantations­diagnostik leistet man der falschen Vorstellung Vorschub, Behinderung sei vermeidbar.»
Christa Schönbächler, Co-Geschäfts­führerin Insieme Schweiz


Bircher ist kein Einzelfall, aber doch eine von wenigen. Hansjakob Müller, Professor für Genetik an der Universität Basel, geht bei der vom Bundesrat vorgeschlagenen Regelung von derzeit jährlich etwa 20, später 50 bis 100 Paaren aus, die PID in Anspruch nehmen dürften. Sein Kollege Bruno Imthurn, Leiter des Kinderwunschzentrums am Zürcher Unispital, schätzt die Zahl der Betroffenen auf etwa 100 pro Jahr. «Man muss sich schon fragen, ob es sinnvoll ist, wenn bei einer so kleinen Fallzahl jedes der 26 Kinderwunschzentren in der Schweiz die PID einführt. Die Qualität kann so sicher nicht gut sein», sagt er.

Der Gesetzesentwurf stösst aber nicht nur deswegen auf wenig Gegenliebe. «Der Vorschlag taugt nichts. Er ist restriktiv, bürokratisch und entspricht nicht dem, was das Parlament verlangt hat», sagt FDP-Ständerat Felix Gutzwiller. Skeptisch bleibt auch seine Kollegin von der SP, Simonetta Sommaruga, die gegen die Motion stimmte: «Es ist und bleibt höchst problematisch, festzulegen, was eine schwere Erbkrankheit ist und welches Leben lebenswert ist.»

Teuer und psychisch belastend

Fraglich ist auch, ob die vorgeschlagene Regelung anwendbar ist. Verfassung und Fortpflanzungsmedizingesetz schreiben vor, dass bei In-vitro-Fertilisationen maximal drei befruchtete Eizellen zu Embryonen entwickelt werden dürfen. Die übrigen Eizellen darf man unmittelbar nach der Befruchtung einfrieren und später verwenden. Für eine Anwendung wie die PID, die man erst in einem späteren Entwicklungsstadium vornimmt (siehe Grafik Seite 70), sind drei Embryos aber schlicht zu wenig. «Aus acht bis zehn Eizellen gehen am Ende vielleicht zwei lebensfähige, gesunde Embryos hervor», sagt Hansjakob Müller. Wenn man stets nur drei Embryos mit PID untersuchen könne, sei die Wahrscheinlichkeit relativ klein, beim ersten Mal gerade die richtigen zu erwischen. Die Folge: Die betroffene Frau benötigt trotz PID mehrere Behandlungen. Das geht nicht nur ins Geld, sondern ist vor allem psychisch belastend: «Mit jedem Transfer schöpft das Paar neue Hoffnung, dass es endlich klappt», sagt Bruno Imthurn.

«Es ist und bleibt höchst problematisch, festzulegen, was eine schwere Erbkrankheit ist und welches Leben lebenswert ist.»
Simonetta Sommaruga, SP-Ständerätin


Der Widerspruch mit der Abtreibung

Was es heisst, immer wieder enttäuscht zu werden, weiss Martina Keller. Die heute 40-Jährige zog in nur einem Jahr fünf Embryotransfers durch. «Mit 39 wollte ich mit dem Kopf durch die Wand», sagt sie. Beim fünften Mal hat es dann geklappt, heute ist sie glückliche Mutter einer gesunden Tochter. Trotz vielen Fehlversuchen war PID im Ausland für Keller aber nie ein Thema. «Es wurde von den Ärzten auch nie erwähnt», sagt sie. Dennoch ist sie für eine Aufhebung des Verbots. Vor allem weil sie es als ungerecht erachtet. «Ich finde es scheinheilig, den gleichen Frauen dann in der 12. und 16. Schwangerschaftswoche zu von der Krankenkasse bezahlter Chorionzottenbiopsie und Fruchtwasserpunktion zu raten, um die Schwangerschaft im Fall einer Behinderung abzubrechen.»

Keller spricht damit einen der Hauptkritikpunkte am PID-Verbot an: dass das menschliche Leben im Mutterleib weniger gut geschützt ist als im Labor. Denn bis zur 12. Schwangerschaftswoche sind Abtreibungen legal. Dieser Widerspruch leuchtet vielen nicht ein, auch jenen nicht, die der PID eher kritisch gegenüberstehen. Die 32-jährige Pia Fehlmann etwa, die selber in Behandlung für eine künstliche Befruchtung ist, jedoch mit grossem Unbehagen, spricht ebenfalls von einer Doppelmoral. Sie will technische Hilfsmittel vermeiden, wann immer es geht. Eine PID kommt für sie nicht in Frage, und konsequenterweise will sie auch auf Pränataldiagnostik verzichten. Dennoch findet sie ein generelles PID-Verbot stossend. «Das ist doch ein individueller Entscheid.» Conrad Engler, Sekretär des Vereins Kinderwunsch, spricht Klartext: «Es ist absolut unverständlich, weshalb man eine medizinische Abklärung verbietet, die Abtreibungen verhindern könnte.»

Allerdings ist umstritten, wie zuverlässig die PID tatsächlich ist. Absolute Sicherheit gibt es nicht. Beim Aneuploidie-Screening können momentan nur fünf bis neun Chromosomensätze untersucht werden. Ausserdem werden in der Regel nur eine oder zwei Zellen entnommen und daraus dann Rückschlüsse auf das ganze Erbgut des Embryos gezogen. «Die Technik ist stark verbesserungsfähig», gesteht selbst Mediziner Bruno Imthurn ein.

Unklar ist zudem, ob die Entnahme einer Zelle für die PID die Entwicklung des Embryos stört. Neuere Studien belegen, dass PID die Chance, schwanger zu werden, gar nicht steigert. So gesehen entspricht der aktuelle Gesetzesentwurf dem Stand der Technik. Imthurn weist aber darauf hin, dass die Entwicklung nicht stehenbleibe: «Die Methoden werden laufend verbessert, und wir werden vermutlich schon bald den ganzen Chromosomensatz untersuchen können.» Ein Gesetz müsse zukunftsgerichtet sein, findet er. Die PID sei nichts anderes als eine vorgezogene Pränataldiagnostik. «Mit dem Verbot verweigert man Menschen den Zugang zur bestmöglichen Behandlung.»

«Ich finde es scheinheilig, Präimplantationsdiagnostik zu verbieten, aber den gleichen Frauen dann zu Pränataldiagnostik zu raten.»
Martina Keller (Name geändert), Mutter einer im Reagenzglas gezeugten Tochter


«Akzeptanz für Behinderte wird abnehmen»

Christa Schönbächler, Co-Geschäftsführerin der Behindertenorganisation Insieme, sieht das anders. Mit Selektionsmethoden wie der PID drohe das gesunde Kind zur Pflicht zu werden. «Man leistet der falschen Vorstellung Vorschub, Behinderung sei vermeidbar», sagt sie. «Die Akzeptanz gegenüber Menschen mit Behinderung wird abnehmen.» Zugleich hat sie aber Verständnis für Paare mit schweren Erbkrankheiten. «Wir begrüssen deshalb den Gesetzesentwurf in seiner restriktiven Form», sagt sie.

Nicht so Ethikerin Ruth Baumann-Hölzle. Persönlich kann auch sie das Bedürfnis nach einem gesunden Kind verstehen. Doch: «Es gibt kein Recht darauf.» Wer auf natürlichem Weg schwanger werde, könne auch nicht alle Unwägbarkeiten ausschliessen. «Es geht hier um eine gesellschaftliche Frage: Wollen wir das Nutzerprinzip auf das menschliche Leben ausdehnen?»

Der aktuelle Gesetzesentwurf zeigt vor allem eines: Die Politik tut sich schwer mit der Frage. Oder wie Conrad Engler vom Verein Kinderwunsch den Vorschlag kommentiert: «Der Berg hat eine Maus geboren.»

STÖCKL AM SAMSTAG - MEIN KIND IST ANDERS – MÜTTER VON BEHINDERTEN KINDERN (Video ORF)

Sonntag, 24. Januar 2010

Bettina Hering

Tochter Lotta hat das Down-Syndrom

"Wir haben gesagt, wir nehmen was kommt", so die ursprüngliche Aussage von Bettina Hering und ihrem Mann über den Nachwuchs. Acht Wochen vor der Geburt zeigten sich tatsächlich Auffälligkeiten und Ärzte diagnostizierten, dass das Kind schwerstbehindert oder schlimmsten-falls nicht überlebensfähig sein würde. Zum Glück eine Fehldiagnose. Lotta ist heute 13 Jahre alt und hat das Down-Syndrom: "Wir wollten nur dass sie lebt, wie war sekundär", so die dreifache Mutter. Trotz der Freude über das Überleben der Tochter, brauchte die Familie ein Jahr, bis sie sich an die neuen Lebensumstände gewöhnt hatte. Ein Leben ohne Lotta - dem aufgeweckten Sonnenschein, der das Tanzen über alles liebt - wäre heute für niemanden mehr denkbar. Warum Lottas Handicap die Partnerschaft von Bettina Hering und ihrem Ehemann gestärkt hat, wie sie mit starrenden Leuten in der Straßenbahn umgeht und was das Handicap für Lottas Geschwister heißt, wird sie Barbara Stöckl erzählen.


>>> Zum Video: Stöckl am Samstag - 23.01.2010 16:00 Uhr

4 Extrachromosomen (3 davon adoptiert) in einer Familie: Maddie Curtis American Idol Video

Freitag, 22. Januar 2010



Siehe auch: Maddie im DownSyn Forum (englisch).

In der Stille angekommen & Rhythmen lassen Behinderung vergessen

Donnerstag, 21. Januar 2010

Zuhörer vergessen alltägliche Hektik und genießen Phase der Besinnung
© schwarzwaelder-bote.de

Gechingen (sel). Einfühlsame Liedtexte, ruhige Musik und beeindruckende Fotografien von Landschaften und Menschen: Dieser Dreiklang bildete den Rahmen für ein Konzert mit dem Sänger, Liedermacher und Journalisten Christoph Zehendner, dem Pianisten, Komponisten und Musikredakteur Manfred Staiger sowie dem Fotografen Heiko Wolf, zu dem die evangelische Kirchengemeinde Gechingen unter dem Motto »In der Stille angekommen« in die Kirche eingeladen hatte.

Im abgedunkelten Raum verfolgten rund 270 Besucher das Konzert, das zum Mitsingen, Klatschen, Zuhören und Beten einlud. »Jeder kann das mitnehmen und herausziehen, was für ihn wichtig ist, was zu seiner Situation passt«, sagte Zehendner. Rasch stellte sich in Gechingen eine meditative Atmosphäre ein, hinter der alltägliche Hektik zurückblieb und innere Ruhe und Besinnlichkeit Raum griffen, in der auch Humor und befreites Lachen Platz hatten.

Dem eloquenten Moderator Zehendner gelang es schnell, einen Draht zu seinem Publikum zu finden. Zwischen Liedern, Texten und Gebeten interviewte Zehendner, der als politischer Hörfunkjournalist tätig ist, seine Partner Staiger und Wolf. Mit viel Offenheit vermittelte das Trio Überzeugungen und sprach unprätentiös von ganz persönlichen Erfahrungen mit Gott.

Tief berührt zeigte sich das Publikum von der Geschichte des Fotografen Heiko Wolf, der seit 17 Jahren mit seiner Familie in Pretoria in Südafrika lebt, wo auch viele seiner eindrucksvollen Bilder entstanden. »Südafrika ist ein Land voller Gegensätze und ich fotografiere, was ich sehe«, so Wolf. Bereits seit vielen Jahren ist Wolf in einem von Christen getragenen Baby-Therapiezentrum in Pretoria engagiert, das sich um behinderte Kinder in den ersten Lebensjahren kümmert. »Damals dachte ich nicht, dass wir selbst einmal froh über dieses Angebot sein und es in Anspruch nehmen würden«, so Wolf. Vor sieben Jahren kam sein Sohn mit Down-Syndrom auf die Welt. Eine Bilderstrecke mit sehr berührenden Fotografien seines Sohnes unterlegten Staiger und Zehendner mit dem Lied »Spender des Lebens«, das von Freude und Dankbarkeit über das Wunder des Lebens erzählte.

Visuell durch die Bilder auf Großleinwand angesprochen, wurden die ausgelösten Emotionen von den einfühlsamen Texten und den harmonischen Klängen der Lieder aufgenommen und vertieft. Vieles stimmte nachdenklich, ließ innehalten. Die Texte benannten Themen wie Schuld und Trauer, aber auch Freude am Leben, Vertrauen und den Wunsch nach Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Bei bekannten Melodien stimmten die Besucher mit ein.





Rhythmen lassen Behinderung vergessen
MUSIKPROJEKT Schüler der BBS am Museumsdorf singen und tanzen mit behinderten Menschen

© Nordwest Zeitung

DER MUSIKWORKSHOP LIEF ÜBER DREI TAGE. ZIEL WAR ES, DIE JUNGEN ERWACHSENEN FÜR DEN UMGANG MIT BEHINDERTEN MENSCHEN ZU SENSIBILISIEREN.

CLOPPENBURG - Musik kann auch die Fesseln einer Behinderung sprengen. Diesen Eindruck hatten Schülerinnen und Schüler der BBS am Museumsdorf bei einem dreitägigen Musikworkshop mit behinderten Menschen. Sie erlebten, wie eine schwerbehinderte junge Frau sich in ihrem Rollstuhl zum Rhythmus der Musik bewegte und wie ein anderes Mädchen mit Down-Syndrom ihre Begeisterung mit einem Bauchtanz ausdrückte.

Die Vorgeschichte dieses ungewöhnlichen Workshops begann mit einer Unterrichtsstunde zum Thema „Musik mit Behinderten“ in einer Klasse der Fachschule Sozialpädagogik. Die mangelnde Erfahrung im Umgang mit behinderten Menschen führte dabei zu vielen Fragen. So kam der Fachlehrerin Marita Eckelmann die Idee zu diesem Musikworkshop. Zur Realisierung des Vorhabens stellte sie zunächst den Kontakt zur Justus-von-Liebig-Schule in Vechta her. An dieser berufsbildenden Schule, so wusste Eckelmann, war ein solcher Workshop bereits erfolgreich gelaufen.

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Fotos: BBS

Für die Leitung des Workshops konnte Eckelmann dann die Musikerin Bea Nyga aus Köln verpflichten. Deren gefühlvolle und sichere Art im Umgang mit behinderten Menschen machte die drei Tage rund um die Musik an der BBS am Museumsdorf zu einem vollen Erfolg. 22 behinderte Menschen kamen gemeinsam mit ihren Betreuern aus dem St. Vincenzhaus und der Caritas Werkstatt in die Schule. Gemeinsam mit den Schülern aus der Berufsfachschule Sozialassistenz, Schwerpunkt Sozialpädagogik, sowie der Fachschule Sozialpädagogik wurde gesungen, getanzt und geklatscht. Dabei spürten alle, wie das gemeinsame Singen verbindet, fröhlich macht und nicht nur Herz und Seele bewegt.

Mit Nyga am Klavier sangen die Gäste im Laufe des Vormittags bis zu zehn Lieder. Erste zögerliche Versuche mit der Musik entwickelten sich in den drei Tagen zum begeisterten Gesang.

Der Workshop habe die Berufsvorbereitung der Schülerinnen und Schüler aus dem Fachbereich Sozialpädagogik „auf herausragende Art und Weise unterstützt“, freute sich Eckelmann über das erfolgreiche Projekt. So sei bei vielen ein deutlicher Sinneswandel im Umgang mit behinderten Menschen zu spüren gewesen. Zudem seien Hemmschwellen abgebaut worden. Eine berufliche Zukunft in der Betreuung behinderter Menschen könne nun besser eingeschätzt werden.

Ohne die Hilfe von Sponsoren wäre die Veranstaltung nicht möglich gewesen, so Eckelmann. Sie dankte deshalb dem Rotary Club Cloppenburg-Quakenbrück, dem Rotary Club Friesoythe-Artland-Cloppenburg, der Caritas Werkstatt Cloppenburg, dem St. Vincenzhaus Cloppenburg und dem Förderverein der BBS am Museumsdorf.

Tims Eltern kämpfen für den Besuch einer regulären Grundschule & Ein ganz besonderer Raum

Sonntag, 17. Januar 2010

Eltern kämpfen für ihren Sohn Tim
© SÜDKURIER GmbH

Der siebenjährige Tim Göbel hat das Down-Syndrom. Seine Eltern wollen, dass er trotzdem eine reguläre Grundschule besucht. Und kämpfen dafür seit beinahe zwei Jahren.

Kressbronn – Groß sei das Erstaunen, wenn Jürgen Göbel davon erzählt, dass er seinen Sohn Tim in eine Regelschule schicken will. Tim ist sieben Jahre alt und hat das Down-Syndrom. Seit fast zwei Jahren kämpfen Jürgen Göbel und seine Frau Karin dafür, dass ihr Sohn gemeinsam mit nichtbehinderten Kindern in einer Klasse unterricht wird. „Selbst in fachkundigen Kreisen ist das Erstaunen groß, wenn ich davon erzähle“, sagt Jürgen Göbel. Erstaunen sei noch eine gemäßigte Reaktion: Viele sagten, er spinne, berichtet der Vater. Dabei dürfte laut der UN-Behindertenkonvention das Anliegen der Familie Göbel gar kein Problem sein (siehe Artikel rechts).

Doch die Realität sieht anders aus: Die Familie wohnt genau neben der Parkschule in Kressbronn. Tim müsste noch nicht einmal eine Straße überqueren, wenn er diese Schule besuchen könnte. „Aber er steigt jeden Morgen – kurz nach 7 Uhr – in den Bus und fährt durch den halben Landkreis“, erzählt der Vater. In Fischbach besucht Tim eine Außenklasse der Tannenhagschule und werde für einige Stunden in der Woche gemeinsam mit nichtbehinderten Kindern an der örtlichen Grundschule unterrichtet.

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Foto: Jakober

„Tim kommt immer sehr müde zurück“, sagt Mutter Karin. Spielen mit anderen Kindern sei nicht möglich. Zum einen, weil ihr Sohn zu müde sei und erst spät wieder fit werde. Zum anderen, weil ihm der Anschluss zu den Kindern vor Ort fehle. „Als er hier im Kindergarten war, wurde er auch zu Geburtstagen eingeladen“, blickt die Mutter zurück. Damals seien die ersten „zarten Kontakte“ entstanden. Nun, da die anderen Kinder die erste Klasse besuchen, sei es schwer, diese Kontakte aufrechtzuerhalten. Immer wieder erlebe sie, dass die Menschen Berührungsängste hätten. Sie wünscht sich, dass die Menschen sich trauten, Tim kennen zu lernen.

„Wir wollen, dass unser Sohn sein Leben später selbstständig meistern kann“, erklärt der Vater. Er soll nicht den vorbestimmten Weg einschlagen: Sonderschule, Behindertenwerkstatt, betreutes Wohnen. „Schon im Kindergarten hat er unglaublich Fortschritte gemacht“, erzählt Karin Göbel. Doch nicht nur Tim könne profitieren, sondern auch die anderen Kindern. „Er ist emotional sehr einfühlsam und merkt, wenn andere Kinder getröstet werden müssen“, führt der Vater als Beispiel für einen inklusiven Unterricht an.

Wenn die Eltern von den vergangenen zwei Jahren erzählen, kommt einem das Wort Hinhaltetaktik in den Sinn. Zuerst sollte Tim gemeinsam mit fünf anderen behinderten Kindern in Kressbronn inklusiv unterrichtet werden. „Das ist gescheitert, weil die anderen Eltern nicht mehr wollten“, berichtet der Jürgen Göbel. Sie hätten keine Informationen von Behörden erhalten – immer hätten sie selbst nachfragen müssen. Meist sei ihnen signalisiert worden, dass sie verstanden würden. „Und dann kam der Sonderschulbescheid – einen Tag vor Schulbeginn“, sagt der Vater.

Die Eltern wollen weiterkämpfen – obwohl es sie streckenweise sehr viel Kraft kostet. Mittlerweile haben sie sich an das Kultusministerium gewandt und führen Gespräche mit Interessengruppen. In kürze soll jetzt ein Gespräch mit dem Staatlichen Schulamt Markdorf stattfinden. Der Wunsch der Eltern: Tim soll zum kommenden Schuljahr an einer Regelschule unterrichtet werden.

Karin und Jürgen Göbel sind noch auf der Suche nach Eltern, die in gleicher oder ähnlicher Situation sind oder die sie unterstützen möchten. Die Familie ist unter der Telefonnummer 0 75 43/54 79 05 oder per E-Mail zu erreichen: juergen_goebel@yahoo.de




Helden-Licht, das Kinder lächeln lässt
© B.Z.

Isabell (6) kuschelt sich an Mutter Manja Sacher (36). "Schlaf schön Mama", sagt das Mädchen mit dem Downsyndrom. "Und morgen erzählst du mir, was du geträumt hast."


Man würde nicht denken, dass Isabell bis vor Kurzem Einschlafprobleme hatte. Die beiden liegen auf einer weichen Matratze und blicken in bunte Lichtstrahlen, die von der Decke kommen. Sie sind im Snoezel-Raum (sprich: snusel) des sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) der Kinderklinik im Sana-Klinikum Lichtenberg. Das Fantasiewort "Snoezel" verbindet die niederländischen Begriffe "snuffelen" (schnuppern) und "doezelen" (dösen). Denn der Snoezel-Raum wurde in den 70er-Jahren in Holland entwickelt.Farbige Stoffstreifen, die an einem Ring an der Decke befestigt sind, erzeugen Schwarzlichteffekte. In einer Wassersäule wechseln alle paar Augenblicke die Farben. Ein Projektor bestrahlt eine Discokugel, deren Reflexe als Punkte durch den Raum wandern. Es ist das Helden-Licht, das Kinder lächeln lässt.Eingesetzt wird der Snoezel-Raum für kleine Patienten mit Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS), Entwicklungsstörungen, Traumata und Behinderungen. Isabell snoezelt zweimal die Woche, um zu entspannen und ihre Wahrnehmung zu schärfen. Und das hat sie dem Engagement ihrer Mutter zu verdanken. Seit Isabells Geburt sind sie und ihr Mann auf der Suche nach neuen Therapien. Mit vier Wochen begann die Kleine ihre Physiotherapie im SPZ. Um sich noch mehr für Isabell und andere Kinder einsetzen zu können, wurde Manja Sacher Vorsitzende von "Sternschnuppe", dem Förderverein der Kinderklinik. "Für meine Tochter bin ich bereit, zu kämpfen - auch, wenn es viel Kraft kostet", seufzt sie.Nach der Geburt ihrer zweiten Tochter kehrte sie als Sachbearbeiterin zu Bayer Schering in Berlin zurück. Sie erfuhr, dass ihr Arbeitgeber ehrenamtliche Projekte von Mitarbeitern mit bis zu 5000 Euro fördert. Voraussetzung: Der Antragsteller engagiert sich persönlich für die Maßnahme und kann einen konkreten Projektplan vorlegen.Manja Sacher konnte. Sie wollte einen Snoezel-Raum für ihre Tochter und andere Kinder im SPZ. Im Mai 2008 bewilligte Bayercare Foundation das Projekt und spendete dem Förderverein 5343 Euro. Ein Jahr lang packten Manja Sacher und die anderen Sternschnuppen-Mitstreiter an, um im Untergeschoss von Gebäude B den perfekten Entspannungsort zu schaffen. Im September 2009 wurde der Raum eröffnet, seitdem wird er rege genutzt. Bis zu fünf Patienten gleichzeitig können hier entspannen.Chefarzt Professor Dr. Volker Stephan ist dankbar über die moderne Einrichtung. "Durch die Erfahrungen im Snoezel-Raum werden die Kinder aufnahmefähiger und ruhiger", sagt Stephan. Manja Sacher ist stolz, dass sie es geschafft hat, den Snoezel-Raum einzurichten.Seit es ihn gibt, kann Isabell nicht nur besser schlafen. "Sie spricht sehr gut und hat mittlerweile ihren eigenen Kopf, beides sehr untypisch für Kinder mit Downsyndrom", erzählt Manja Sacher. Dann legt sie sich wieder neben Isabell, und lässt sich vom Licht des Raumes verzaubern.

Filmtipp, diskriminierende Puppen und noch einmal Einleben

Samstag, 16. Januar 2010

Medienwerkstatt drehte Film über Down-Syndrom
© NÜRNBERGER NACHRICHTEN

Fast ein Jahr lang hat die Medienwerkstatt Franken an einem Film über das Leben mit Down-Syndrom gearbeitet. Er ist am Sonntag (17. Januar) um 19 Uhr auf Franken TV und um 21 Uhr auf Franken TV und Franken SAT zu sehen (Wiederholung am 31. Januar).

Vier Familien aus Mittelfranken stellt der Film vor, angefangen von einer Familie aus Uffenheim, deren Sohn erst 2009 zur Welt kam bis hin zu einer Familie aus Happurg, deren Kind nun seinen 29. Geburtstag feiern konnte - und das eine feste Stelle auf einem Bauhof hat. In Gesprächen mit Eltern, Geschwistern und Betroffenen ging Michael Aue der Frage nach, was es bedeutet, mit Down-Syndrom zu leben: Zwischen Verzweiflung, Hoffnung und Glück.




Das Baby mit schrägen Augen
Von Julia Kospach in Die Presse

Der Befund, den Johanna am dritten Lebenstag ihrer Tochter Steffi erhält, ist eindeutig: Trisomie 21. „Starr vor Schreck“ ist da Johanna, die erfolgreiche 34-jährige Architektin – und das Kind, „mit dem sie sich eben noch so verbunden gefühlt hat, liegt ihr plötzlich ganz fern, ist mit einem Mal zu einem geheimnisvollen, misstrauisch beäugten Objekt vom anderen Stern geworden, das sich, ohne zu fragen, bei ihr eingenistet hat.“ In Johanna wüten Überforderung, Angst und Hader, ihr Lebensgefährte ist keine große Hilfe: Mario weigert sich vorerst, der Diagnose zu glauben. Das Baby mit den schräg liegenden Augen wünscht Johanna sich weg. Es dauert seine Zeit, bis das „Einleben“ mit ihrem „Nichtstandardkind“, wie Johanna es bald vorzieht zu sagen, beginnt.

„Einleben“ ist auch der Titel des neuen Buchs von Ludwig Laher, in dem der oberösterreichische Schriftsteller die Geschichte von Johanna und Steffi erzählt – eine fiktive Geschichte nach dem Vorbild recherchierter Informationen über Kinder mit Downsyndrom und ihre Eltern: Es ist ein weiterer von Lahers feinen, akribisch recherchierten Dokumentarromanen über ein moralisch hoch aufgeladenes Thema, ein Terrain voller Fangschlingen, in dem jeder Satz eines Autors Gefahr läuft, in die Geiselhaft von politischer Überzeugungsarbeit, von Gutmenschentum oder Ideologie zu geraten – oder so gelesen zu werden. Unter solchen Vorzeichen im Literarischen zu bleiben, sein Sujet mit dem Tonrepertoire des Erzählers durchzukomponieren, das ist Lahers große Begabung. Darin gleicht er Erich Hackl, dem er zu Unrecht in Bekanntheit nachsteht.

2007 schrieb Laher in „Und nehmen, was kommt“ über das Leben und den schwierigen Ausstieg einer missbrauchten jungen slowakischen Romni aus der erzwungenen Prostitution und ihr Zusammenleben mit einem ehemaligen österreichischen Freier. So wie dieses Buch keine Pretty-Woman-Schnulze war, sondern ein Bericht über die Verwertung von Menschen im neuen Mitteleuropa, so ist „Einleben“ kein Buch über eine Schmerzensmutter mit behindertem Kind, sondern die Chronik eines tastenden Einlassens auf ein großes Wagnis, die Annahme eines „ungewünschten Geschenks“. Lahers Johanna ist eine selbstbewusste Frau, eine bürgerliche Intellektuelle, die alle Nuancen des öffentlichen Diskurses über Downsyndromkinder verfolgt und analysiert, sich selbst ebenso genau beobachtet wie ihre Tochter und mit ihrem Lebensgefährten hadert, der ihr in dem Maß Gluckentum vorwirft, in dem er ihr ansonsten die Pflichten des Alltags mit Steffi weitgehend überlässt. Die Beziehung scheitert – und das liegt nicht in erster Linie an den besonderen Herausforderungen, die das Leben mit Steffi für ihre Eltern mit sich bringt.

Zwischen „Staunen und Schrecken, Urteilsunmöglichkeit und Positionierungstasten“ lässt Johanna sich auf ihr Kind ein, registriert dabei auch die Kränkungen, die ihr von außen zustoßen – vom Jugendspracheschimpfwort „Mongo“ bis zu den als Anteilnahme getarnten grausamen Bemerkungen anderer Mütter im Kinderarztwartezimmer („Hat man da denn nicht rechtzeitig etwas machen können?“). In ihrem Tagebuch dokumentiert Johanna, wie sehr gerade auch „Nichtstandardmenschen“ nach den „Kriterien standardisierter Nützlichkeit“ beurteilt werden, und bemüht sich genau deswegen, von ihrer Tochter auch bei aller Förderung nicht zu viel zu verlangen. „Enttäuscht sein ist Anmaßung“ schreibt sich Johanna als Motto auf die Fahnen.

„Einleben“ ist eine Geschichte über einen vollkommenen Perspektivenwechsel, ein Buch, das einen Blick wirft in die Welt eines Kindes, in dem sich Entwicklungen langsamer und mit weniger Worten, aber darum nicht weniger einprägsam vollziehen. Ludwig Lahers Erzählstimme macht daraus Literatur.




Diskriminierendes Spielzeug
Von Andreas Zitzmann in der Frankfurter Rundschau

Die Puppe im Rollstuhl? Das Puppenkind, dessen Gesichtszüge deutlich vom Down Syndrom geprägt sind? Fehlanzeige im Kinderzimmer. Dort ist die kleine Welt von traditionellen Werten geprägt: Am Puppenherd steht die Frau, vor dem Puppenfernseher sitzt der Mann.

Die einzige dunkelhäutige Barbiepuppe trägt afrikanische Kleidung - nicht etwa das schicke Kostüm der erfolgreichen Managerin. Das bleibt den Weißen vorbehalten.

Das Hessische Puppenmuseum in Wilhelmsbad zeigt ab Februar eine Sonderausstellung, in der es um "Integration und Vielfalt" geht. Maren Raetzer, die Leiterin des Museums, will damit auch "gesellschaftlich Position beziehen". Die reale Lebenswelt entsteht auch im Kinderzimmer, dort wird auch gelernt. Und dort ist eben ein Puppenkind, dass zwei Väter als Eltern hat, bislang nicht zu finden.


Die neue Ausstellung

Sonderausstellung "Gemeinsam", vom 7. Februar bis 18. April. Weitere Informationen unter: www. hessisches-puppenmuseum.de.

Die Ausstellung gehört zu einem Veranstaltungsreigen, mit dem das Museum verstärkt auch Erwachsene ansprechen will. Es gilt einiges aufzuholen: Nachdem fast drei Jahre nur ein winzig kleines Renovierungs-Provisorium zur Verfügung stand, konnte das Haus im April vergangenen Jahres wiedereröffnet werden.

Seitdem wurden bereits 20.000 Besucher gezählt, berichtete Leiterin Raetzer am Freitag in einer Pressekonferenz. Im vergangenen Jahr konzentrierten sich die Sonderaktionen eher auf das junge Publikum, dass man so zurückgewinnen wollte. Jetzt sind "die Großen" an der Reihe.

Für sie gibt es nun auch abendliche Angebote, etwa für Schokoladen- oder Weinliebhaber. Auch will man immer wieder mal über die Puppenstube hinaus schauen und anderes Spielzeug zeigen, etwa aus Holz. Die Puppe soll allerdings ihre Vorrangstellung auf den rund 800 Quadratmeter Ausstellungsfläche behalten.

Neu ist auch, dass seit November das Museum samstags und sonntags durchgehend geöffnet ist. Und etwa ab dem Sommer sollen auch die Bauarbeiten auf dem Vorplatz ihren Abschluss finden. Besonders Busgruppen müssen derzeit längere Fußwege in Kauf nehmen. Raetzer hofft auch, dass mit der Sanierung der Säle, die ebenfalls in diesem Jahr beendet werden soll, die Attraktivität des ehemaligen Kurhauses Wilhelmsbad weiter wächst.

Hessisches Puppenmuseum, Parkpromenade 4, Hanau-Wilhelmsbad, Tel. 06181-86212. Geöffnet ist das Museum dienstags bis freitags von 10 bis 12 und von 14 bis 17 Uhr, samstags und sonntags von 10 bis 17 Uhr.

Ohne Hemmungen – Menschen mit Behinderung im Boxclub

Freitag, 15. Januar 2010

von Karin Ullmann bei Alle inlusive

Vor eineinhalb Jahren nahm Christian zum ersten Mal am Training teil. Heute ist er noch immer regelmäßig im Boxclub aktiv – und andere sind seinem Beispiel gefolgt. Christian ist ein junger Mann mit Down-Syndrom.

Inzwischen ist es selbstverständlich im Boxclub “Maylife” am Fühlinger See in der Nähe von Köln, dass Menschen mit und ohne Behinderung dort zusammen trainieren. Beim Aufwärmtraining im Boxstudio von Olympiasieger Torsten May drehen der junge Mann mit Down-Syndrom und die jungen Männer im Rollstuhl genauso ihre Runden um den Boxring wie alle anderen auch. Das Boxen stärkt dabei nicht nur die Muskeln und die Ausdauer, sondern auch das Selbstvertrauen. Und ganz nebenbei baut es auch Hemmschwellen beim Umgang miteinander ab.

So wie in diesem Studio kann ein gelungenes Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung aussehen. Sie gehen mit gutem Beispiel voran: nicht nur Christian, sondern auch die Familie May, die den Boxclub betreibt.

Und: Dem Sandsack ist es sowieso egal, wer auf ihn eindrischt…

Nähere Informationen zum inklusiven Boxclub finden Sie hier: Maylife

Hier können Sie einen Fernsehbericht über das Boxtraining im Boxclub “Maylife” ansehen: Maylife Fernsehbericht

Rat gesucht: Nach Entfernung eines Stück Darms funktioniert After-Schließmuskel nicht mehr

Mittwoch, 13. Januar 2010

Vorab: Ich nehme an, dass es sich um die Hirschsprung-Krankheit handelt.
Sollte tatsächlich jemand wertvolle Hinweise zur Verfügung stellen können, diese bitte >>> hier <<< als Kommentar posten!


Unser Sohn Johannes ist jetzt 13 Jahre. Wir suchen Eltern und Ärzte, die ähnliche Erfahrungen mit ihren Down-Syndrom-Kindern gemacht haben bzw. die ähnliche Krankheitsbilder kennen und Lösungen gefunden haben. Für ihre Unterstützung sind wir Ihnen von Herzen dankbar.

Johannes litt als Baby an der Hirschhornkrankheit, eine Darmverengung, die durch eine OP, das Entfernen von 20 cm Darm, behoben wurde. Um eine Abheilung der Nahtstelle zu ermöglichen wurde für 6 Monate ein künstlicher Darmausgang angelegt. Die Verdauung funktionierte in den weiteren Jahren normal. Jedoch funktioniert seitdem der After-Schließmuskel nicht mehr und er ist gezwungen mit Windeln zu leben, da er seine Ausscheidungen nicht halten kann.

Sollten Sie Lösungen für dieses Phänomen kennen, bitte ich Sie Kontakt durch den Arbeitkreis Down-Syndrom mit uns aufzunehmen. Danke besonders im Namen von Johannes!


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Herrlich Getue und Summen der Nachtigall

Dienstag, 12. Januar 2010

gefunden bei Kraskas Staunmeldungen
Zitate aus: Ohrenkuss

Wieder mal beziehe ich tiefere Einsichten aus meiner Lieblingszeitschrift „Ohrenkuss“. Ich habe über diese wunderbare Blatt schon 2008 auf Qype berichtet; getextet wird es von jungen Menschen mit Down-Syndrom. Angeblich sind Menschen mit dieser genetischen Besonderheit kognitiv zurückgeblieben und im sprachlichen Ausdruck behindert. Wenn man den „Ohrenkuss“ liest, zweifelt man manchmal, ob das in allen Belangen so zutrifft. Ich erliege dem poetischen Charme der Beiträge immer wieder. In der neuesten Ausgabe, die das Thema „Paradies“ behandelt, schaffen es zwei Autoren mit Trisomie 21, geschätzte 25.000 Qype-Beiträge in zehn Zeilen zusammenfassen. Glaubt Ihr nicht? Wetten das? Hier, bitte:

Nr. 1 (Text: Stefan Zajak)

„… weil ich gerne wandern gehe und da treffe ich bei der Hütte Oben alte Bekannte und dann mache ich einen schönen Radeltour. Dann fahre ich mit dem Schiffsfähre aufs Land hinaus. Und in den Hütten da habe ich ein Mittagessen verdient, dann bin ich mit der Schiffsfähre wieder zurück gefahren. 
Im Urlaub da lese ich am Strand liegend und ich geniesse das Meer das die Wellen schlägt. Und den abend den Sonnen Untergang wenn ich ein Glas Rotwein Trinke da bin ich wie im Paradies! 
Und DANN Wenn ich im Hotelzimmer schlafe da Summt die Nachtigall.“

Nr. 2 (Text: Lars Breidenbach)

„Sonnenuntergang im Meer, schöne Vogelgefischert. Geräusch von Meer, auch Muschel Geräusch, Wasser, labala-Tanzen, (Leute) auch mit bunte Feder, Feder in Haare stecken oder mit Hawaikranz. Herrlich Getue, gibt auch Hotel, Paradieshotel. Gute Essen und Trinken, schöne Ort, nette Leute romantisch, auch sexy, auch Freundschaft. Freundschaft ist gut, ist wichtig Punkt.“


Ja, Punkt. Was auch sonst noch? Gute Essen und Trinken, schöne Ort; wenn’s richtig hoch kommt, noch ein Hotel mit Nachtigall-Gesumme und ein wenig herrliches Getue mit Hawaikranz. – Die Texte antworten übrigens darauf, wie das persönliche Paradies aussieht.

Und wo bleibt die Einsicht? Nun, ich stelle gerade fest, falls Archäologen des 10. Jahrtausends n. Chr. von unserer Kultur kein anderes Zeugnis hätten als Qype-Beiträge, müßten sie da nicht denken, sie blickten in ein verlorenes Paradies? Dessen wohlhabende, anspruchsvolle, gebildete und weitgereiste Bewohner schienen keine anderen Sorgen zu haben als höchstens mal pampigen Service, zu fettes Essen oder eine Erbse unter der Matratze. Ansonsten kultiviert man den kritischen Genießer und Shopper, trifft nette Leute beim labala-Tanzen, trinkt – romantisch, aber auch sexy – Rotwein bei Sonnenuntergang und lauscht dem Summen der Nachtigall. Herrlich, dieses Getue! Da, denkt der Zukunftsarchäologe, würde ich gern leben – auf den paradiesischen Qype Islands, im immerwährenden Paradies der wohl verdienten Mittagessen!

Diese Einsicht ist keine Kritik. Natürlich ist Qype kein Verbraucherportal für Landminen-Krüppel, AIDS-Patienten, Bürgerkriegsopfer und Hungernde, denen vermutlich selbst ein mit nur einem Stern bewertetes Essen noch schmecken würde. Paradies-Vorstellungen sind eben halt auch sehr relativ. Ich empfehle „Ohrenkuss“ Nr. 23/2009, „Paradies“.

Die liebenswürdigste, philosophischste, an Blaise Pascal und Lao-tse gemahnende Paradiesvorstellung formuliert für mich dies:

Nr. 3 (Text Mandy Kammeier):

„Ich lege mich auf den Sofa und schliesse mir die Augen zu singen. Singen ist Mein Paradis. Wenn ich mir die Augen öffnne lache ich über mich selbst weil mir das spas macht. In meinem Zimmer finde ich immer mein Pradedise.“

Auf dem Sofa die Augen schließen, singen, über sich selbst lachen, weil einem das Spaß macht: Wem dies das Paradies bedeutet, der gehört wahrlich schon zu den Erleuchteten…

Filmtipp: Am achten Tag (Le huitième jour, The Eighth Day) mit Video

Montag, 11. Januar 2010

Filmtipp: Am achten Tag (Le huitième jour, The Eighth Day) mit Video, Film Fernsehen TV Kino, Behinderung Handicap, Down Syndrom, Down-Syndrome, Extrachromosom, Trisomie 21,

Genre: Drama

Inhalt: Übermüdet, vom Job genervt, und gerade von seiner Frau verlassen, rast Harry
gedankenversunken mit seinem BMW bei strömenden Regen durch die Nacht. Nur eine Sekunde schließt er die Augen, nimmt die Hände vom Lenkrad. Da knallt es, und der Wagen schleudert fast in den Graben. Geschockt stellt Harry fest, daß er einen Hund überfahren hat. Dann der nächste Schreck: aus der Dunkelheit kommt ein großer schlitzäugiger junger Mann auf ihn zu. Es ist Georges, der unter dem Down-Syndrom leidet und gerade aus dem Behindertenheim getürmt ist, um seine Mutter zu besuchen. Von Schuldgefühlen geplagt, bietet Harry Georges an, ihn nach Hause zu fahren. Eine Fahrt, die sehr viel länger als geplant werden soll. Gleichzeitig der Anfang einer wunderbaren Freundschaft zweier Männer, erfüllt mit der Hoffnung Liebe, Verständnis und einen Platz zu finden, an dem sich beide endlich zu Hause fühlen.

Cast: Daniel Auteuil, Pascal Duquenne, Miou-Miou, Henri Garcin, Isabelle Sadoyan, Michele Maes, Fabienne Loriaux

Regie: Jaco van Dormael

Drehbuch: Jaco van Dormael

Laufzeit: 118 Minuten

Credit: moviepilot



>>> Zum Trailer

Aktuell:

Filme in Originalsprache im Kino: Das gibts nicht allzuhäufig, zumindest nicht kostenlos und vor allem nicht, wenn die Originalsprache nicht englisch ist. In Südtirol wird aber ein solches -im letzten Jahr erfolgreich begonnenes- heuer Projekt fortgesetzt:

Ab Donnerstag, dem 14. Jänner, stehen in Bozen, Meran und Leifers wieder wöchentlich Filme in Originalsprache auf dem Spielplan. Dazu lädt, bei freiem Eintritt, das Amt für Zweisprachigkeit und Fremdsprachen.

Die Sprachenmediathek am Sandplatz 10 in Meran bringt Le huitième jour (Frankreich/Belgien 1996, Regie Jaco Van Dormael, Dauer 115 Minuten): “Am achten Tag” ist ein heiter, originell und fantasievoll inszeniertes Großstadtmärchen über die Freundschaft eines Bankmanagers mit einem Mann mit Down-Syndrom, die dazu führt, dass der “Normale” sein egozentrisches Verhalten überdenkt. In französischer Sprache mit französischen Untertiteln.

Info Credit: redakteur.cc

Steuererklärung: Merkblatt für Familien mit behinderten Kindern 2009/2010

Sonntag, 10. Januar 2010

von Katja Kruse beim BVKM
vía Rita, Down Syndrom.org

Dieses Merkblatt soll Ihnen dabei helfen, die Steuervorteile, die Ihnen als Eltern
behinderter Kinder oder als selbst Betroffene zustehen, geltend zu machen. Natürlich kann es keine Beratung im Einzelfall ersetzen. Es soll Ihnen dabei helfen, zu
überprüfen, ob Ihnen im Jahr 2010 ein Anspruch auf Kindergeld für Ihr erwachsenes
Kind mit Behinderung zusteht (siehe Teil 1).
Seine Aufgabe ist es ferner, Sie beim Ausfüllen der Einkommensteuererklärung für
das Kalenderjahr 2009 zu begleiten (siehe Teil 2 und 3). Das Merkblatt folgt insoweit
dem Aufbau der Antragsvordrucke der Finanzämter. Die Hinweise auf rechtliche
Fundstellen in den Klammern sollten Sie nicht abschrecken. Sie sind Hinweise für
Ihre/n Sachbearbeiter/in beim Finanzamt, falls es zu Unstimmigkeiten kommen sollte.
Reicht der Platz im Formular für Ihre Angaben nicht aus, legen Sie Ihrer
Steuererklärung eine Erläuterung bei. Wird etwas nicht anerkannt, muss das
Finanzamt Ihnen die Ablehnung erklären.

>>> ZUM MERKBLATT (pdf)

Ein glückliches Leben für den kleinen Nikolas aus Mering

Samstag, 9. Januar 2010

von eva weizenegger in der augsburger allgemeinen

Wenn Nikolas Lange lächelt, dann lächelt er übers ganze Gesicht. Fröhlich singend läuft er zur Tür. „Komm herein“, lädt er seine Besucher freundlich ein. Und schon schnappt sich der Fünfjährige seinen Kassettenrekorder und singt aus voller Kehle mit. Ein ganz normaler Morgen bei Familie Lange in Mering-St.Afra.

Doch so ganz normal ist der Alltag der vierköpfigen Familie nicht. Nikolas hat das Down-Syndrom, das früher im Volksmund auch „Mongolismus“ genannt wurde. „Bei richtiger Förderung können sich Kinder mit Down-Syndrom ganz individuell entwickeln und viel mehr lernen, als man früher annahm“, weiß Karin Lange. „Es gibt sogar Personen mit Down-Syndrom, die ein abgeschlossenes Studium aufweisen können, Auto- oder Mofaführerschein besitzen sowie eine abgeschlossene Berufsausbildung haben.“

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Anfangs taten sie und ihr Mann Olaf sich nicht leicht mit der Diagnose. „Für uns war Nikolas ein ganz normales Baby“, erzählt sie. Damals lebte das Ehepaar noch in Unna. In der Geburtsklinik hieß es „alles in Ordnung mit dem Kind“. Auch die anschließenden Untersuchungen zeigten keine Auffälligkeiten. Nach neun Monaten kamen den jungen Eltern Zweifel. „Wir bemerkten Entwicklungsverzögerungen“, sagt Karin Lange. Zum ersten Geburtstag kam gleichzeitig auch die endgültige Diagnose: Down-Syndrom. „Natürlich war das anfangs niederschmetternd, aber ich bin so froh um die unbeschwerte Anfangszeit“, erzählt die zweifache Mutter. Denn so hätte ein ganz normales Kennenlernen zwischen den Eltern und dem Sohn stattgefunden. „Wir haben in Nikolas kein behindertes Kind gesehen.“

Karin Lange, die als Hotelkauffrau neun Jahre im Ausland verbracht hatte, und ihr Mann Olaf, der als Geschäftsführer vor drei Jahren in die Augsburger Filiale eines Verpackungsunternehmens wechselte, für welches er schon seit neun Jahren tätig ist, verabschiedeten sich damals von ihren Zukunftsvorstellungen für Nikolas und die Familie.

Stattdessen versuchten sie für Nikolas so schnell wie möglich die notwendigen Fördermaßnahmen zu organisieren und in die Wege zu leiten. „Unser großes Glück ist, dass Nikolas keine angeborenen Krankheiten oder Herzfehler hat, nicht anfällig für Infektionen ist und sich für ein Kind mit Down-Syndrom ausgesprochen gut entwickelt“, schildern Olaf und Karin Lange. Außerdem kann der Fünfjährige sich bereits jetzt sehr gut verbal mit seinen Mitmenschen verständigen. „Das ist bei Kindern mit Down-Syndrom in dem Alter eher selten der Fall.“

Dass die Familie sich damals beim Umzug für Mering entschieden hatte, lag nicht nur an der verkehrstechnisch günstigen Lage der Marktgemeinde. „Ausschlaggebend war der integrative Kindergarten“, sagt Karin Lange. In der Kindertagesstätte Kapellenberg wird Nikolas gefördert und kann gleichzeitig mit nicht behinderten Kindern spielen und Freundschaften schließen.

Nikolas hat sich seine kleine Kindergitarre geschnappt und singt gemeinsam mit seinem Papa. „Musik ist ihm ganz wichtig“, sagt Olaf Lange. Deshalb besucht er auch die Musikalische Früherziehung und eine Tanzgruppe. „Er ist außerhalb des Kindergartens total gut integriert“, freuen sich die Eltern über die Fortschritte, die ihr ältester Sohn macht. Im Turnverein Mering, beim Kinderschwimmen des Turnvereins Friedberg, in den Mutter-Kind-Gruppen und vor allem auch in der Nachbarschaft. Integration war in Mering kein Problem. „Im Gegenteil“, sagt das Ehepaar Lange, „das Entgegenkommen war immer sehr positiv und offen.“ Darüber ist die Familie sehr glücklich und hat mittlerweile ihr eigenes Haus in Mering. Aus der Selbsthilfegruppe, in der sich Karin Lange engagiert, kennen die Langes auch andere Geschichten.

Auch wenn Nikolas ein absoluter Sonnenschein für die Familie ist, viele Freunde hat und sich sehr gut entwickelt, so sehen Olaf und Karin Lange doch den Entwicklungsunterschied zwischen ihren beiden Kindern. Der nun zweijährige Elias überholt seinen großen Bruder in der Entwicklung in einigen Bereichen schon jetzt. Die rasante Entwicklung von Elias ist für die Langes auch immer wieder positiver Ansporn, die Förderung von Nikolas voranzutreiben.

„Für die Zukunft wünschen wir uns eine hohe Integrationsbereitschaft und dadurch die Möglichkeit auf ein selbstständiges und glückliches Leben unseres Sohnes.“

Quasimodo Geniti by HORA

Freitag, 8. Januar 2010

«Normale» dürfen nur zuschauen
von Kathrin Morf im Zürcher Unterländer

Anmutig tanzt Lorraine Meier durch den Saal, lauscht den Anweisungen ihrer Regisseurin, lacht glücklich über das Lob ihrer Kollegen.

Die fröhliche Frau ist Künstlerin aus Leidenschaft und will auch als solche verstanden werden, was indes nicht immer einfach ist: Meier ist geistig behindert – genauso wie all ihre Schauspielkollegen vom Theater Hora.
Seit einem Jahr proben die Hora-Mitglieder das Stück «Quasimodo Geniti», das sie auch in Eglisau und Opfikon aufführen werden (siehe Kasten). Während einer der letzten Proben vor dem Ernstfall am Sonntag beobachtet die Eglisauer Regisseurin Jacqueline Moro kritisch, wie sich ihre Schauspielerinnen und Schauspieler dem Improvisationstanz widmen. Meier lauscht stirnrunzelnd dem französischen Gesang, der aus den Lautsprechern dröhnt. Sie müsse warten, bis die Musik in ihrem Kopf widerhallt, erklärt sie später. «Dann tanzt es sich wie von allein.»

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Meier spielt die personifizierte Eifersucht, die sich nach ausserehelichen Liebschaften wieder ihrem Mann zuwendet. Tanzend umgarnt sie diesen, leicht streicht ihre Hand über sein Gesicht und entzieht sich ihm wieder. Zuneigung drücken die Darsteller weniger mit Worten als vielmehr mit Bewegungen aus. Die Anziehungskraft zwischen geistig Behinderten, eines der letzten Tabuthemen der Gesellschaft, thematisieren sie unverhohlen. «Liebe und Sex sind die grossen Themen des Lebens, darum soll man sie auch auf die Bühne bringen», betont Moro.

***

Nach dem tänzerischen Aufwärmen machen sich die Schauspieler an die Geschichte vom buckligen Quasimodo, der erst wegen seiner Hässlichkeit geächtet wird, am Ende jedoch die Herzen der Menschen erobert. Dass die Hora-Mitglieder ein Stück über Ausgrenzung aufführen, kommt nicht von ungefähr – die meisten von ihnen haben entsprechende Erfahrungen gemacht. «Fast alle Menschen lachen mich aus», erzählt zum Beispiel Meier, die am Downsyndrom leidet. In solchen Momenten ruft Moro ihren Schützlingen ins Gedächtnis, dass eine Behinderung etwas Besonderes sei. «Schliesslich dürfen die meisten Menschen, die ‹Normalen›, nicht bei uns mitmachen», gibt sie zu bedenken.

***

Mit ihren Auftritten tun es die Hora-Mitglieder dem Glöckner gleich: trotz ihrer Andersartigkeit wagen sie sich in die Öffentlichkeit und zeigen, wozu sie fähig sind. «Sie sind so motiviert, authentisch, lustig», schwärmt Moro, seit 2007 Regisseurin der Truppe. «Ausserdem sind sie unglaublich spontan. Ich kann sagen: Im neuen Jahr wollen wir auch neue Bewegungen. Und sie setzen das sofort um.» Nie murren die Schauspieler, nie zeigen sie Starallüren, stattdessen spricht aus jedem Schritt und jedem Wort ihre Begeisterung.

***

In «Quasimodo Geniti» werden Requisiten und Handlung zur Nebensache, das Hauptaugenmerk liegt auf den Geräuschen, der Musik, dem Tanz. Dabei scheuen die Darsteller auch Disharmonien nicht. Das Leben hat sie gewissermassen dazu gezwungen, aus der Reihe zu tanzen, darum wagen sie dies auch auf der Bühne. Ausserdem hinterfragen sie stetig die gesellschaftliche Definition von Schönheit. «Ich bin schön», ruft zum Beispiel Meier, die ihren Körper mag und wie sie tanzt. Manchmal geniere sie sich zwar, und vor einem Auftritt sei sie oft schrecklich nervös. «Aber wenn wir immer wieder proben, dann wird das besser», sagt sie.
Gianni Blumer hat hingegen nie Lampenfieber, wenn sein Auftritt als Clown bevorsteht. «Meine Figur ist cool und lustig. Und frech wie ich», sagt der junge Mann, der ein grosser Schauspieler werden will und seiner Behinderung mit Gelassenheit begegnet: «Gaga ist doch jeder Mensch ein bisschen», sagt er schulterzuckend und erklärt mit spitzbübischem Lachen, wieso er gerne auf der Bühne steht: «Wegen der schönen Frauen im Publikum natürlich.»

Auftritte in Kirchen
Das Theater Hora, Teil der Stiftung Züriwerk, arbeitet seit knapp 20 Jahren mit behinderten und nichtbehinderten Schauspielern und offeriert dieses Jahr erstmals drei Ausbildungsplätze für geistig behinderte Schauspiellehrlinge. «Quasimodo Geniti» wurde in Berlin und Zürich aufgeführt und gastiert nun in Schweizer Kirchen. Unter anderem in der reformierten Kirche Eglisau am Sonntag, 10. Januar, um 17 Uhr sowie am 29. Januar um 19.30 Uhr in der reformierten Kirche Opfikon. Der Eintritt ist jeweils kostenlos. Im Stück, frei interpretiert nach Victor Hugo, tritt der Zuger Chor Voicesteps gemeinsam mit 20 Hora-Mitgliedern auf.

Rechnen lernen (Lern-Koffer) für Menschen mit Down Syndrom

Donnerstag, 7. Januar 2010

von ANDREAS SCHÖBERL / kleinezeitung.at

Bernadette Wieser vom Verein Hand in Hand hat in jahrelanger Arbeit ein neues Rechen-Lernsystem für Menschen mit Down Syndrom entwickelt. Diese Methode wird seit Juli
des vergangenen Jahres im Down Syndrom-Zentrum "Leben Lachen Lernen" in Leoben-Hinterberg an Kinder mit Down Syndrom aus ganz Österreich, deren Eltern und Lehrern vermittelt. "Wir sind bis Juni ausgebucht. Daran kann man erkennen, wie groß der Bedarf ist", erklärt Jürgen Wieser vom Verein Hand in Hand.

Nun wird die Arbeit durch die Teilnahme an einem EU-Förderprogramm auf europaweite Ebene gebracht: "Noch im Jänner kommen die Vertreter der fünf Partnerländer Deutschland, Italien, Rumänien, Tschechien und Dänemark zu einem ersten Koordinations-Treffen ins Down Syndrom-Zentrum", so Wieser. Das EU-Projekt hat eine Laufzeit von zwei Jahren und ein finanzielles Volumen von 400.000 Euro für alle fünf Partnerländer: "Der Verein Hand in Hand vertritt Österreich und ist für die Gesamtkoordination zuständig. Ziel des Projekts ist es, einen Rechen-Lernkoffer zu entwickeln, der international zur Förderung der Rechenkompetenz für Menschen mit Down Syndrom eingesetzt werden kann."

Bei der Vermittlung des neuen Rechen-Lernsystems hat das Down Syndrom-Zentrum seit neuestem auch modernes technisches Equipment zur Verfügung: "Die Firma AT&S hat uns ihre Weihnachtsspende zugute kommen lassen. Damit haben wir einen neuen Multimedia-Raum ausgestattet", führt Wieser aus.

Down-Syndrom Laufgruppe: Staffel beim Berliner Mauerlauf am Welt-Down-Syndrom-Tag 2010

Mittwoch, 6. Januar 2010

Eine Idee nimmt ihren Lauf
von Thomas Kaupel
veröffentlicht im Forum socialNC

Ich berichte ja schon seit längerer Zeit sporadisch darüber, wie es mit unserer Down-Syndrom Laufgruppe so läuft. Hier jetzt die bisher größte und auch weltweit einmalige Aktion.

Am Welt-Down-Syndrom Tag 2010 zeigen unsere Läufer, wozu Menschen mit Down-Syndrom fähig sind: ein 160 km langer Staffellauf entlang der früheren Berliner Mauer.

Am Samstag, den 20.3.2010 um 8 Uhr wird unser Mauerlauf gestartet. Etwa 30 Down-Syndrom Läufer aus Deutschland und zwei Läufer aus England und der Schweiz werden den 160 km langen Mauer-Radweg als Staffel und non-stop zurücklegen. Dabei werden die einzelnen Läufer Etappen zwischen 3 und 30 km zurücklegen. Begleitet werden sie dabei von ca. 30 Ultraläufern aus Deutschland, Großbritannien und Kanada, die jeder für sich die komplette Strecke von 160 km laufen werden. Unter den Begleitläufern wird der auch der Journalist und Autor Dr. Hajo Schumacher sein, in Läuferkreisen bekannt als Achim Achilles.

Start und Ziel ist das Jahnstadion am Mauerpark, gelaufen wird gegen den
Uhrzeigersinn. Der Zieleinlauf ist geplant für Sonntag, den 21.3.2010 um 12 Uhr
mittags, das sind 28 Stunden nach dem Start.

Mit der Lebenshilfe Berlin haben wir einen starken und kompetenten Partner für die Umsetzung des Projektes "Mauerlauf" gewinnen können. So übernimmt die LH die Verpflegung der Läufer an allen 27 Verpflegungspunkten entlang der Strecke und veranstaltet am 21.3. parallel zum Zieleinlauf der Down-Syndrom-Läufer im Jahnstadion ein Sportfest für Menschen mit Behinderung.

Der Senator für Inneres und Sport, Herr Dr. Körting, hat die Schirmherrschaft
für die Aktion übernommen.

Im Anschluss an den Zieleinlauf am 21.3. finden eine Pressekonferenz und eine After-Run Party mit Johannes Heretsch (DJ Papa Joe) im VIP-Bereich des Jahnstadions statt.

Mehr Information: Down-Syndrom Marathonstaffel e.V.

Filmtipp: Uwe geht zu Fuß (D 2009)

Dienstag, 5. Januar 2010

Filmtipp: Uwe geht zu Fuß (D 2009), Behinderung Handicap, deutsch, Deutschland, Down Syndrom, Down-Syndrome, Film Fernsehen TV Kino, Extrachromosom, Trisomie 21,

"Uwe geht zu Fuß"
Dokumentarfilm D 2009, 79 Min.
DVD ISBN: 9783981297003
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In einer Zeit, in der Menschen, die nicht der Normvorstellung unserer Gesellschaft entsprechen, schon lange in spezialisierte Einrichtungen ausgegliedert werden, kommt ein Film, der zeigt, was uns verloren geht.


“Uwe geht zu Fuß” ist laut Regisseur Florian von Westerholt ein “Low budget, big heart”-Film: „Dat is uns Uwe“ heißt es in Heikendorf, einer 8000-Seelen Gemeinde an der Kieler Förde. Uwe Pelzel, Jahrgang 1943, gehört zu den ältesten Menschen mit Down-Syndrom in Deutschland. .Der Film zeigt nicht nur seinen besonderen Lebensweg, sondern auch den selbstverständlichen Umgang seiner Gemeinde, die mit ihren gewachsenen Strukturen den politischen Begriff „Inklusion“ weder kennt noch braucht. Uwe ist heute noch 1. Betreuer des Fussballvereins, Löffelträger der Heikendorfer Knochenbruchgilde, war Namensgeber des legendären Uwe-Pelzel-Tenniscups, Dirigent der Show-Brass Band, Mitglied der Theatergruppe und einst einer der begehrtesten Tanzpartner weit und breit. Zu seinem 50. und 60. Geburtstag wurden Feste gefeiert, von denen man heute noch spricht.

Florian von Westerholt zeigt Uwe Pelzel und seine Gemeinde in einem Film mit einzigartigen Bildern und Geschichten, die Freude und Hoffnung machen. Sie offenbaren ganz nebenbei, wie wichtig die Vielschichtigkeit unserer Gesellschaft und unsere traditionellen, sozialen Strukturen für unsere Gegenwart und Zukunft sind.

Ein Film über das Glück.
Berührend, witzig, unterhaltsam und immer wieder überraschend.

Link: Uwe geht zu Fuß

Ihr Kinderlein, kommet. Alle.

Sonntag, 3. Januar 2010

Thomas Gerlach, 45, ist taz-Schwerpunktredakteur. Lange hat er mit seiner Frau Dascha überlegt, ob er diese persönliche Weihnachtsgeschichte erzählen soll.

Als Nikita da ist, wird schnell klar: Unser Kind hat das Downsyndrom. Eine Wahrheit, die schwer zu ertragen ist. Aber es gibt kein Zurück. Gut so. Eine sonntaz-Weihnachtsgeschichte.
© Thomas Gerlach / taz Entwicklungs GmbH & Co. Medien KG


Um halb sechs am Morgen wird unser zweiter Sohn geboren. Blau angelaufen ist er, so blau, dass ich Angst bekomme. Dass Neugeborene blau sein können, habe ich gehört, aber so blau? Ich blicke zur Hebamme. Routiniert klemmt sie die Nabelschnur ab und reicht mir die Schere. Es ist offenbar alles in Ordnung. Ich schneide die Schnur durch.

Ein Wurm, dünne Schreie, zerfurchtes Gesicht. Er liegt auf dem Bauch der Mutter, mir kommen die Tränen. Nikita soll er heißen. Dascha, meine Frau, erinnert mich, eine SMS an die Oma im fernen Ural zu schicken. Vor anderthalb Jahren, beim ersten Kind, hatten wir das vergessen. Die Oma bangte. Heute soll sie die Erste sein. "Nikita geboren, Mutter und Kind wohlauf!", tippe ich.

Eine Stunde später hören wir, dass er Trisomie 21 hat. Es ist Sonnabend, der 13. Juni 2009.

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Foto: nailiaschwarz/photocase


Nein, wir wissen es noch nicht mit letzter Klarheit, die liefert nur ein Gentest, aber der junge Arzt lässt wenig Platz für Hoffnung. Eigentlich lässt er keinen. Die Hebamme hatte behauptet, der Stationsarzt würde nur kommen, um sich Nikitas Blutzucker anzuschauen, die Werte seien etwas niedrig. "Wir sind hier schließlich ein Krankenhaus." Der Arzt hat Nikita wie eine Puppe auf einen Schrank gelegt, er hat ihn aus seinem Leibchen gepackt und schüttelt ihn wieder und wieder, wie man einen Bewusstlosen sachte schüttelt. Er schaut ihm ins Gesicht, streicht über Händchen und Beinchen, gerade so, als suche er etwas.

"Was macht er?" Dascha ist misstrauisch geworden. "Mit dem Blutzucker ist eigentlich alles in Ordnung", murmelt der Arzt, er ist an Daschas Bett gekommen. Doch es gebe andere Auffälligkeiten. Auffälligkeiten? "Hat Ihr Junge denn Ähnlichkeiten mit Ihrem ersten Sohn?" Was ist das für eine Frage? "Vom Gewicht her sind die beiden doch identisch!", entgegnet Dascha. - "Und sonst?" - "Sie meinen die Augen?"- "Ja. Die sind sehr auffällig bei einem Gendefekt, Trisomie 21." - "Das ist nicht Ihr Ernst!", entfährt es Dascha. Mir werden die Knie weich.

Sicher, uns waren Nikitas Augen aufgefallen, geradezu asiatisch geschwungen. Besorgt waren wir nicht. Sind Neugeborene nicht wie winzige Greise? Mit hutzeligen Körpern? Die Stirn, die Augen - das wird sich alles entfalten. Oder etwa nicht? Seit Minuten versuche ich, das schrumplige Kind, das der Arzt liegen gelassen hat, wieder anzuziehen. Je länger der Mann hinter mir redet, desto weniger gelingt mir das. Leibchen, Hemdchen und Schnürchen und mittendrin dieser zerbrechliche Leib - es ist wie ein Knäuel, und meine Finger wollen mir nicht mehr gehorchen. Ich kann es nicht fassen: Das Häuflein, das da vor mir liegt, hat das Downsyndrom.

Er könne uns leider wenig Hoffnung machen, redet der Arzt in unser Schweigen hinein. Alles spreche für Trisomie: die abgespreizten großen Zehen an den Füßen, die durchgehende Falte in beiden Handtellern, die heraushängende Zunge und die Mandelaugen. Natürlich sei das keine Diagnose, räumt er ein, "aber machen Sie sich mal damit vertraut". Schon ist er weg.

Haben wir nicht gerade diese Nacht durchwacht? Hat Dascha nicht eben ein Kind geboren? Haben wir nicht Nikita seit neun Monaten bei uns? Zuerst als dunklen Punkt auf dem Ultraschallbild, dann mit Händen und Füßen? Haben wir uns nicht gefreut, als die Wehen einsetzten? Ist das nicht ein unglaublicher Moment, wenn ein Kind auf die Welt kommt? Heulen nicht alle Eltern, vor Schmerz, vor Glück und vor Dankbarkeit? Und jetzt schleicht sich ein Arzt wie ein Dämon herein und verkündet: Sie haben einen behinderten Sohn.

Weg von hier. Weit weg. Ich würde am liebsten alles stehen und liegen lassen. Lässt sich dieser Film noch einmal zurückdrehen? Lässt sich diese Nacht ungeschehen machen? Nein, lässt sich nicht. Ich bleibe. Wir bleiben. Ich habe den Kleinen immer noch nicht angezogen. Irgendwann steckt er in den viel zu großen Klamotten. Das Köpfchen wackelt, er schweigt. Ich lege ihn in dieser Plexiglasschale ab, packe ihn da hinein wie ein Bündel, das zu schwer für mich ist. Habe ich ihn vorwurfsvoll angeschaut? Er zittert.

Wer ist schuld? Niemand, sagen die Ärzte, das passiere, spontan, einmal bei etwa tausend Geburten. Warum? Keine Antwort. Warum wir? Keine Antwort. Sicher, ich hatte an Downsyndrom gedacht, wie wohl alle werdenden Eltern. Trisomie 21 ist die häufigste Genmutation. Doch das betrifft uns nicht, glaubte ich. Dascha ist 31 Jahre alt, das Risiko steigt erst mit 35 Jahren an. Warum sich Gedanken machen?

Die Ultraschalluntersuchungen bei Daschas Gynäkologen waren unauffällig. Der große Check beim Feindiagnostiker war es auch. Da zappelte dieses Wesen auf dem Bildschirm, mal als bloßer Schatten, mal sehr real mit Köpfchen, Wirbelsäule und Fingern. Und seine Händchen, die ruderten: Wartet nur! Und sein Herzchen hüpfte, und uns hüpfte es auch. Vorfreude.

Wir wollten Nikita. Unser erster Sohn Ilja sollte bald einen Gefährten bekommen. Wo Platz für ein Kind ist, reicht er doch auch für zwei. Die Großmütter waren nicht begeistert, als sie davon hörten. Sie dachten nur an die Mühe. Wir dachten an das Glück.

Zum Krankenhaus geht es durch einen Park. Ich schleppe mich über die Wege, schiebe den Wagen mit Ilja. Wer mich sieht, denkt wohl an einen Todesfall, nicht an eine Geburt. Die ersten beiden Tage liegen Dascha und der Kleine auf der Wochenstation. Ringsum müde, doch glückliche Mütter, gesunde Kinder, stolze Väter, weinende Tanten - und wir, wie Fremde auf einem Fest.

Das erhebende Gefühl, zum ersten Mal Eltern zu werden, kannten wir von Ilja. Als diesmal die Wehen stärker wurden und wir wieder hierherkamen, fühlten wir uns schon wie Stammkunden. Die zweite Geburt gehe schneller, sagten erfahrene Mütter. Also zügig das Kind geboren, zwei Tage auf der Station, und ab nach Hause - so war unser Plan.

Stattdessen gibt es in einer Ecke nun das erste längere Gespräch mit einer Ärztin. Der neue Kurs: Dascha und Nikita werden auf die Intensivstation verlegt, man will den Kleinen untersuchen, ob es organische Defekte gibt. Kinder mit Downsyndrom haben oft Fehlbildungen, hören wir. Es wird Zeit, meine Eltern auf dem Dorf anzurufen. "Ihr seid wieder Großeltern geworden", sage ich. "Alles in Ordnung?" Ich sage: "Ja."

Auf der Intensivstation bekommen Nikita und Dascha ein Zimmer für sich und bald einen Bildband hingelegt, über Kinder mit Downsyndrom und ihre Mütter. Keine plumper Wink mit dem Zaunpfahl der Oberschwester, eher eine Hilfe, es sind liebevolle, innige Fotos. Die Ärzte und Schwestern sind rücksichtsvoll. Nur um den einen Arzt machen wir einen Bogen.

Nikita hängt an Kabeln. In seiner Nase steckt ein Schlauch, durch den wird Muttermilch in seinen Magen gepumpt. Er kann wie viele Trisomie-Kinder schlecht saugen. Dascha übt mit ihm, so oft es geht, das Stillen. Zwei Schwestern vom Kinderpflegedienst stellen sich vor, sie werden zu Hause regelmäßig die Sonde wechseln. Wie lange? Sie zucken die Schultern, manchmal dauere es aber über ein Jahr. Der Genschnelltest bestätigt den Verdacht: Trisomie 21. Es gibt keine Hintertür mehr.

Nikita hat "deutlich klinische Stigmata für ein Downsyndrom". An solche Sätze werden wir uns gewöhnen müssen. Der Entlassungsbrief des Krankenhauses windet in medizinischer Nüchternheit Fachwörter zu Girlanden. Wenigstens ist organisch alles in Ordnung. Jedenfalls fast: Zwei Löcher werden in der Herzscheidewand entdeckt. Doch Grund zur Sorge bestehe nicht, versichert man uns, mit großer Wahrscheinlichkeit wüchsen die bald zu. Wir wollen es gern glauben und machen uns auf den Weg. Es gibt auch so genug Fragen. Mit einem Wunschkind im Bauch sind wir ins Krankenhaus gefahren, mit einem Bündel an Problemen kehren wir heim.

Wenigstens sind wir vier nun zusammen. Der Alltag mit Nikita besteht aus zwei Dingen: Der Junge muss besser trinken, außerdem klappern wir Ärzte ab. Der Verwandtschaft wird reiner Wein eingeschenkt. Meiner 81-jährigen Mutter sage ich es langsam ins Telefon: "Downsyndrom." Das erweist sich als unnötig, sie weiß, was das ist. Auch die russische Großmutter wird informiert. Was haben sie für Bilder im Kopf?

In Russland werden Behinderte meist weggeschlossen, aus Scham. Und bei uns? In dem 300-Seelen-Dorf, aus dem ich komme, lebte ein geistig behinderter Mann. Hänschen war unser Dorftrottel. Täglich streifte er über die Feldmark und führte Selbstgespräche. Im Dorf zurück, versteckte er sich gern in der Bushaltestelle und onanierte - zur Belustigung der Traktoristen und zum Entsetzen der Mädchen. Förderung bestand bei Hänschen vor allem darin, dass er die vollen Körbe aus dem elterlichen Garten schleppte. Hänschen ist tot. Der nächste Behinderte, der nun dort auftaucht, ist Nikita.

Nach einem Monat hat Nikita sein Greisengesicht abgelegt, er trinkt aus der Brust, als ginge es um sein Leben, der Pflegedienst kann die Sonden bald einpacken. Wir stellen Nikita dem Kardiologen vor, dann dem Endokrinologen, der Logopädin, der allgemeinen Kinderärztin, der Ärztin im Sozialpädiatrischen Zentrum, der Augenärztin, der Physiotherapeutin und der Sozialberatung. Wir haben bei den Besuchen bald eine gewisse Routine. Während Dascha mit Nikita beim Arzt sitzt, gehe ich mit Ilja vor der Praxis spazieren.


Große Hände, kleines Herz


Der große Bruder hat den kleinen schnell akzeptiert. Wir kramen Fotos von Ilja hervor. Gibt es Unterschiede? Im Gegenteil, die beiden sehen sich immer ähnlicher. Und sie sehen uns ähnlich - mit oder ohne "Stigmata".

Eines Tages fällt mir auf, dass Nikita wirklich mächtige Hände hat. Ich freue mich und führe das auf die vielen Maurer und Heizer bei den deutschen Vorfahren zurück. Und ich selbst habe fünf Jahre als Traktorist in der LPG gearbeitet. "Das ist auch so ein typisches Zeichen für Trisomie", stoppt Dascha meine Fantasie.

Eigentlich ist es schon egal. Die Trisomie beschäftigt uns nicht mehr jeden Tag. Dazu gibt es bei zwei Kindern zu viel zu tun. Das ist ein Vorteil. Wichtiger ist, dass Nikita, viel früher als Ilja damals, erst zu lächeln, dann zu lachen beginnt. Beim Lachen hat er ein typisches Downgesicht und ein lustiges dazu. Wir fahren zum ersten Mal zu meinen Eltern aufs Dorf. Es gibt wieder Normalität.

Doch nicht lange. Im August macht der Kardiologe uns klar, dass sich die Spalten im Herzen nicht schließen werden. Eine Operation sei notwendig, ein großer Eingriff, und zwar bald. Ende September wird Nikita im Deutschen Herzzentrum in Berlin aufgenommen. Das Zentrum ist eine Welt für sich. Eltern aus halb Europa kommen hier zusammen mit ihren großen, kleinen und ganz kleinen Kindern. Arabische Patriarchen, türkische Mütter, Russen aus Sibirien, Ukrainer, bosnische Familien, kroatische Ehepaare und natürlich Deutsche - die Sorge um den Nachwuchs eint sie alle.

Mütter und Väter sitzen schweigend auf dem Flur oder abseits in der "Eltern-Oase", manche kneten unentwegt die Hände, andere telefonieren, wieder andere führen ihren geschwächten Sprössling spazieren, einen großen Tropf neben sich.

Ein junger Vater aus Brandenburg seufzt mir zu: "Ist schon schlimm!" Ich nicke. Er ist mit seiner ganzen, vielköpfigen Familie gekommen, weil der Jüngste, selbst kaum älter als Nikita, an einer Herzklappe operiert wird. Mit zwei Autos sind sie angereist, sie werden so lange bleiben, bis die Schwestern ihr Brüderchen wie einen ganz kleinen Lord nach Hause geleiten.

Wir merken schnell, dass Nikitas Operation hier eher zu den leichten Fällen zählt. Als er in den Operationssaal gefahren wird, lacht er. Danach kommen für uns die furchtbarsten Stunden seit der Geburt. Was ist, wenn Nikita etwas zustößt? Ist sein Herz nicht so klein wie eine Walnuss? Was ist, wenn der Chirurg vor lauter Routine unachtsam wird? Haben wir nicht Papiere unterschrieben, die uns über alle Eventualitäten aufklärten, auch über Herzstillstand und Tod? Die Operation dauert sechs Stunden. Es gebe keine akute Lebensgefahr, sagt die Ärztin, als wir am Abend in der Intensivstation anrufen. Es habe etwas gebraucht, bis das Herz wieder zu schlagen anfing. Man müsse jetzt abwarten, "ruhen Sie sich aus". Aber wie soll das gehen?

Die Nacht wird zur Tortur. Nikita ist jetzt seit dreieinhalb Monaten bei uns. Gab es nicht vorwurfsvolle Blicke? Trübsinnige Gedanken? Den Wunsch, die Zeit zurückzudrehen? Jetzt wollen wir die Stunden peitschen, dass sie wie im Fluge vergehen. Nach zwei Tagen wacht er auf, nach drei Tagen hängt er an der Brust. Als ich Dascha über die Schulter schaue, blickt er mich zum ersten Mal, müde noch, an. Seine Augen sagen: Na, hast wohl Angst gehabt? - Und wie! Er ist unser Held. Wir lieben ihn, wie man ein Menschenkind nur lieben kann.


Nicht gestellte Fragen


Ich lerne seinen Chirurgen kennen, einen älteren Herrn mit freundlichen Augen. Er heißt Vladimir Alexi-Meskishvili, kam vor zwanzig Jahren aus der Sowjetunion nach Berlin und ist als Chirurg eine Kapazität. Dascha sagt er beiläufig, dass er noch ein drittes Loch verschlossen habe. Nach der Operation hat er Nikita täglich besucht. Am liebsten würde ich Alexi-Meskishvili um den Hals fallen. Er hat das walnusskleine Herz geflickt. Ich sage: "Vielen Dank!"

Irgendwann hört Daschas Gynäkologe von der Trisomie und meldet sich. Er habe sich gleich mit dem Feindiagnostiker in Verbindung gesetzt, sagt er. Zusammen haben sie noch mal sämtliche Ultraschallaufnahmen überprüft, ob sich nicht doch Hinweise hätten finden lassen. Ohne Resultat. Er bedaure die Situation und wünsche uns Kraft.

Was wäre gewesen, wenn sie uns bei der Feindiagnostik eröffnet hätten, es gebe da einen Verdacht? Die zweite Hälfte der Schwangerschaft wäre zur Hölle geworden. Hätte es sie überhaupt noch gegeben? Trisomie ist ein Grund für Spätabtreibungen. Vermutlich hätten uns die Ärzte dazu geraten. Schätzungsweise neun von zehn Feten, bei denen Trisomie diagnostiziert wird, werden abgetrieben.

Abtreibung kam für uns nicht infrage, das war unsere Überzeugung - schon vor dem ersten Kind. Hätten wir uns dennoch überreden lassen? Weil es auf Unverständnis gestoßen wäre, wenn wir diese Möglichkeit nicht wahrgenommen hätten? Weil wir die Belastung gefürchtet hätten? Die Blicke? Weil es das Beste gewesen wäre? Auch für das Kind? Diese Fragen sind uns erspart geblieben. Pränataldiagnostik hat ihre Grenzen. Gibt es ein Anrecht auf ein "normales" Kind? Gibt es nicht. Es gibt auch kein Anrecht auf ein 80 Jahre währendes Leben, nicht einmal auf Sonnenschein im Urlaub.

Dass Nikita mit besonderem Erbgut ausgestattet ist, führen wir auf seine Vorfahren zurück. Während sein deutscher Großvater im Sommer 1941 als junger Bursche in Weißrussland sowjetische Kriegsgefangene bewachte, wurde Nikitas russischer Opa als Kleinkind von Leningrad an den Ural gebracht. Bei der Blockade durch die Deutschen wäre er sonst verhungert. Und während der Vater seiner russischen Großmutter in Astrachan im Wolgadelta Rekruten ausbildete, damit sie gegen die Deutschen kämpfen, versteckte sich zu Kriegsende im damaligen Ostbrandenburg seine deutsche Großmutter als Siebzehnjährige tagelang vor der Roten Armee. Wenig später verlor sie ihre Heimat und ist nie dorthin zurückgekehrt. Wer dieses Erbe mitbekommt, braucht wohl ein Chromosom mehr. Eigentlich ist nicht Nikita die Ausnahme, sondern sein Bruder Ilja. Natürlich verfängt diese Begründung nicht bei Genetikern und Gynäkologen. Uns genügt sie.


Es gibt was geschenkt


Am dritten Advent feiern wir Nikitas ersten "halben" Geburtstag. Wie war das, als er geboren wurde? Ungefähr so, als hätten wir einen Urlaub in Venedig gebucht, hätten uns Monate darauf gefreut, hätten Reiseführer gekauft. Dann stiegen wir ins Flugzeug - und landeten in Rotterdam. Man braucht Zeit, sich an Rotterdam zu gewöhnen.

Nikita schielt ein bisschen, hat in manchem eine lange Leitung und eine Narbe auf der Brust. Er hat länger in Krankenhäusern gelegen als ich und auch schon mehr Ärzte gesehen. Er hat wenig zu tun mit den properen Babys, die von den Titelblättern Dutzender Elternzeitschriften lachen, als könnte man solche Nachkommenschaft irgendwo bestellen. Doch es gibt nichts zu bestellen, nicht die Haarfarbe und nicht die Chromosomenzahl. Es gibt was geschenkt.

Am Morgen des dritten Advents liegt Nikita zwischen uns im Bett. Seine Maurerhändchen wandern über mein Gesicht. Er lacht. Warum? Weil er seit einem halben Jahr bei uns ist. Nicht er ist unser Wunschkind - wir sind seine Wunscheltern. Klugheit ist keine Frage der Lebensjahre. Verkehrte, schöne Welt.

"Was du den Weisen und Klugen verborgen hast, den Unverständigen hast du es offenbart." Dieser Satz aus dem Matthäus-Evangelium soll sein Taufspruch werden.

Auch die Großmütter haben dazugelernt. Die beiden Frauen, die sich untereinander kaum verständlich machen können, sind zum "Geburtstag" nach Berlin gekommen. Sie blicken zu Nikita in den Stubenwagen, ihre Augen strahlen. Und plötzlich sehen die beiden nur noch das Glück - und wir auch ein bisschen die Mühe.