Tims Eltern kämpfen für den Besuch einer regulären Grundschule & Ein ganz besonderer Raum

Sonntag, 17. Januar 2010

Eltern kämpfen für ihren Sohn Tim
© SÜDKURIER GmbH

Der siebenjährige Tim Göbel hat das Down-Syndrom. Seine Eltern wollen, dass er trotzdem eine reguläre Grundschule besucht. Und kämpfen dafür seit beinahe zwei Jahren.

Kressbronn – Groß sei das Erstaunen, wenn Jürgen Göbel davon erzählt, dass er seinen Sohn Tim in eine Regelschule schicken will. Tim ist sieben Jahre alt und hat das Down-Syndrom. Seit fast zwei Jahren kämpfen Jürgen Göbel und seine Frau Karin dafür, dass ihr Sohn gemeinsam mit nichtbehinderten Kindern in einer Klasse unterricht wird. „Selbst in fachkundigen Kreisen ist das Erstaunen groß, wenn ich davon erzähle“, sagt Jürgen Göbel. Erstaunen sei noch eine gemäßigte Reaktion: Viele sagten, er spinne, berichtet der Vater. Dabei dürfte laut der UN-Behindertenkonvention das Anliegen der Familie Göbel gar kein Problem sein (siehe Artikel rechts).

Doch die Realität sieht anders aus: Die Familie wohnt genau neben der Parkschule in Kressbronn. Tim müsste noch nicht einmal eine Straße überqueren, wenn er diese Schule besuchen könnte. „Aber er steigt jeden Morgen – kurz nach 7 Uhr – in den Bus und fährt durch den halben Landkreis“, erzählt der Vater. In Fischbach besucht Tim eine Außenklasse der Tannenhagschule und werde für einige Stunden in der Woche gemeinsam mit nichtbehinderten Kindern an der örtlichen Grundschule unterrichtet.

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Foto: Jakober

„Tim kommt immer sehr müde zurück“, sagt Mutter Karin. Spielen mit anderen Kindern sei nicht möglich. Zum einen, weil ihr Sohn zu müde sei und erst spät wieder fit werde. Zum anderen, weil ihm der Anschluss zu den Kindern vor Ort fehle. „Als er hier im Kindergarten war, wurde er auch zu Geburtstagen eingeladen“, blickt die Mutter zurück. Damals seien die ersten „zarten Kontakte“ entstanden. Nun, da die anderen Kinder die erste Klasse besuchen, sei es schwer, diese Kontakte aufrechtzuerhalten. Immer wieder erlebe sie, dass die Menschen Berührungsängste hätten. Sie wünscht sich, dass die Menschen sich trauten, Tim kennen zu lernen.

„Wir wollen, dass unser Sohn sein Leben später selbstständig meistern kann“, erklärt der Vater. Er soll nicht den vorbestimmten Weg einschlagen: Sonderschule, Behindertenwerkstatt, betreutes Wohnen. „Schon im Kindergarten hat er unglaublich Fortschritte gemacht“, erzählt Karin Göbel. Doch nicht nur Tim könne profitieren, sondern auch die anderen Kindern. „Er ist emotional sehr einfühlsam und merkt, wenn andere Kinder getröstet werden müssen“, führt der Vater als Beispiel für einen inklusiven Unterricht an.

Wenn die Eltern von den vergangenen zwei Jahren erzählen, kommt einem das Wort Hinhaltetaktik in den Sinn. Zuerst sollte Tim gemeinsam mit fünf anderen behinderten Kindern in Kressbronn inklusiv unterrichtet werden. „Das ist gescheitert, weil die anderen Eltern nicht mehr wollten“, berichtet der Jürgen Göbel. Sie hätten keine Informationen von Behörden erhalten – immer hätten sie selbst nachfragen müssen. Meist sei ihnen signalisiert worden, dass sie verstanden würden. „Und dann kam der Sonderschulbescheid – einen Tag vor Schulbeginn“, sagt der Vater.

Die Eltern wollen weiterkämpfen – obwohl es sie streckenweise sehr viel Kraft kostet. Mittlerweile haben sie sich an das Kultusministerium gewandt und führen Gespräche mit Interessengruppen. In kürze soll jetzt ein Gespräch mit dem Staatlichen Schulamt Markdorf stattfinden. Der Wunsch der Eltern: Tim soll zum kommenden Schuljahr an einer Regelschule unterrichtet werden.

Karin und Jürgen Göbel sind noch auf der Suche nach Eltern, die in gleicher oder ähnlicher Situation sind oder die sie unterstützen möchten. Die Familie ist unter der Telefonnummer 0 75 43/54 79 05 oder per E-Mail zu erreichen: juergen_goebel@yahoo.de




Helden-Licht, das Kinder lächeln lässt
© B.Z.

Isabell (6) kuschelt sich an Mutter Manja Sacher (36). "Schlaf schön Mama", sagt das Mädchen mit dem Downsyndrom. "Und morgen erzählst du mir, was du geträumt hast."


Man würde nicht denken, dass Isabell bis vor Kurzem Einschlafprobleme hatte. Die beiden liegen auf einer weichen Matratze und blicken in bunte Lichtstrahlen, die von der Decke kommen. Sie sind im Snoezel-Raum (sprich: snusel) des sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) der Kinderklinik im Sana-Klinikum Lichtenberg. Das Fantasiewort "Snoezel" verbindet die niederländischen Begriffe "snuffelen" (schnuppern) und "doezelen" (dösen). Denn der Snoezel-Raum wurde in den 70er-Jahren in Holland entwickelt.Farbige Stoffstreifen, die an einem Ring an der Decke befestigt sind, erzeugen Schwarzlichteffekte. In einer Wassersäule wechseln alle paar Augenblicke die Farben. Ein Projektor bestrahlt eine Discokugel, deren Reflexe als Punkte durch den Raum wandern. Es ist das Helden-Licht, das Kinder lächeln lässt.Eingesetzt wird der Snoezel-Raum für kleine Patienten mit Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS), Entwicklungsstörungen, Traumata und Behinderungen. Isabell snoezelt zweimal die Woche, um zu entspannen und ihre Wahrnehmung zu schärfen. Und das hat sie dem Engagement ihrer Mutter zu verdanken. Seit Isabells Geburt sind sie und ihr Mann auf der Suche nach neuen Therapien. Mit vier Wochen begann die Kleine ihre Physiotherapie im SPZ. Um sich noch mehr für Isabell und andere Kinder einsetzen zu können, wurde Manja Sacher Vorsitzende von "Sternschnuppe", dem Förderverein der Kinderklinik. "Für meine Tochter bin ich bereit, zu kämpfen - auch, wenn es viel Kraft kostet", seufzt sie.Nach der Geburt ihrer zweiten Tochter kehrte sie als Sachbearbeiterin zu Bayer Schering in Berlin zurück. Sie erfuhr, dass ihr Arbeitgeber ehrenamtliche Projekte von Mitarbeitern mit bis zu 5000 Euro fördert. Voraussetzung: Der Antragsteller engagiert sich persönlich für die Maßnahme und kann einen konkreten Projektplan vorlegen.Manja Sacher konnte. Sie wollte einen Snoezel-Raum für ihre Tochter und andere Kinder im SPZ. Im Mai 2008 bewilligte Bayercare Foundation das Projekt und spendete dem Förderverein 5343 Euro. Ein Jahr lang packten Manja Sacher und die anderen Sternschnuppen-Mitstreiter an, um im Untergeschoss von Gebäude B den perfekten Entspannungsort zu schaffen. Im September 2009 wurde der Raum eröffnet, seitdem wird er rege genutzt. Bis zu fünf Patienten gleichzeitig können hier entspannen.Chefarzt Professor Dr. Volker Stephan ist dankbar über die moderne Einrichtung. "Durch die Erfahrungen im Snoezel-Raum werden die Kinder aufnahmefähiger und ruhiger", sagt Stephan. Manja Sacher ist stolz, dass sie es geschafft hat, den Snoezel-Raum einzurichten.Seit es ihn gibt, kann Isabell nicht nur besser schlafen. "Sie spricht sehr gut und hat mittlerweile ihren eigenen Kopf, beides sehr untypisch für Kinder mit Downsyndrom", erzählt Manja Sacher. Dann legt sie sich wieder neben Isabell, und lässt sich vom Licht des Raumes verzaubern.

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