GLEICHSTELLUNG: Das Einfache, das so schwer zu machen ist
Bei einem Aktionstag wurde gestern dafür geworben, Menschen mit Behinderungen besser einzubeziehen
Von Andrea Müller in der Märkischen Allgemeinen
KÖNIGS WUSTERHAUSEN - Die Leute blieben gestern stehen, waren neugierig auf das, was auf dem Bahnhofsvorplatz in Königs Wusterhausen geschah. Vertreter von Kreis, Stadt und wohltätigen Trägern starteten hier eine Aktion zur Gleichstellung behinderter Menschen. Der 5. Mai steht alljährlich unter diesem Zeichen. Luftballons, Umfragebögen und Abzeichen mit dem Wort „Inklusion“ zogen die Aufmerksamkeit der Vorbeieilenden auf sich.
„Ich finde es ganz schlecht, dass nicht alle Türen zum Bahnhof immer geöffnet sind“, erklärte ein Königs-Wusterhausener auf dem Weg zu seiner Bahn. Andere beklagten das Chaos wegen des Schienenersatzverkehrs, da gegenwärtig auf der Zug-strecke Königs Wusterhausen–Lübben gebaut wird. Der war auch Inhalt einer Befragung, bei der man sich danach erkundigte, ob man allein reiste oder in Familie, ob mit oder ohne Gepäck, ob mit oder ohne Rollstuhl, ob man mit der Parkplatz-Situation zufrieden sei. Manche machten sich bei dem Interview richtig Luft, war das Chaos hinter dem Bahnhof – hier stehen die Busse des Schienenersatzverkehrs – sowieso schon groß. Wer hier noch durch eine Behinderung eingeschränkt war, kam gar nicht mehr klar.
Dabei sollen künftig Behinderte nicht mehr als solche behandelt werden, sondern wie andere Menschen auch. Dafür wurde extra ein neues Wort erfunden. „Inklusion“ war auf den Stickern der Agierenden gestern zu lesen. „Behinderungen sollen nicht mehr zelebriert werden“, erläuterte der Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt, Wolfgang Luplow. Dabei zeigte er ein Foto. Darauf waren junge Menschen am Tisch zu sehen und eine junge Frau als Kellnerin. Darunter stand: Sie unterscheidet nur noch, dass sie noch nicht Feierabend hat. Die Kellnerin hatte das Down-Syndrom, eine geistige und zum Teil auch körperliche Behinderung.
„Inklusion“ bedeutet Einbeziehung und so will es Luplow auch verstanden wissen. Ginge es nach den Initiatoren, so würde es bald keine speziellen Werkstätten mehr für Behinderte geben und keine Förderschulen für Kinder mit Behinderungen. Sie würden wie andere Kinder auch eine Schule besuchen und arbeiten gehen. Es ist das Einfache, das so schwer zu machen ist. Dass das Zeit braucht, ist allen klar: „Wir reden nicht von sofort, sondern über ein Zeitfenster von 25Jahren“, sagte er.
Elke Voigt, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Dahme-Spreewald, und Michael Schneider von der Arbeitsgemeinschaft Bau und Verkehr des Kreises, konnten gestern aber auch einen tollen Erfolg verkünden. In Bindow hatten sie sich davon überzeugt, dass im Ortsgemeinschaftshaus an die Barrierefreiheit gedacht wurde. „Sie hatten eine Toilette für Behinderte im Außenbereich geplant“, so Schneider, der im Rollstuhl sitzt. „Sie haben dann schnell eingesehen, dass es so nicht geht“, meinte Elke Voigt. So wird das Stuhllager geräumt und zur behindertengerechten Toilette umgebaut. „Manchmal fehlt die Vorstellungskraft, was eine Außentoilette bedeutet“, so Voigt. Sie und auch Schneider haben sich über das Erreichte sehr gefreut.
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KÖNIGS WUSTERHAUSEN: Behinderungen sollen nicht mehr zelebriert werden
Donnerstag, 6. Mai 2010
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