Manfred Fischer ist neuer OÖN-Leserbeirat und gibt ein paar Hinweise zum Umgang mit und der Wortwahl gegenüber Menschen mit Behinderung

Donnerstag, 11. März 2010

Von Marina Huber in den OÖNachrichten

OSTERMIETHING. Manfred Fischer ist neuer OÖN-Leserbeirat. Worauf er achtet und was er von falschen Bildern wie „an den Rollstuhl gefesselt“ hält, erzählt der Rollifahrer im Warte-Interview.

Warte: Worin sehen Sie Ihre Aufgaben als unser Leserbeirat?

Fischer: Als erstes werde ich auf die Ausdrucksweise bei Berichten über Menschen mit Behinderung achten. Zweitens achte ich auf lokale Berichterstattung. Ich will Linz darauf aufmerksam machen, dass es Braunau gibt. Ziel ist es, dass in der Hauptausgabe mehr aus dem Bezirk berichtet wird. Das Interesse an Lokalnachrichten ist groß, das sieht man ja an der Braunauer Warte.

Warte: Was sind denn die größten Patzer, die Sie immer wieder in Berichten über behinderte Menschen lesen?

Fischer: Es gibt einige Formulierungen, die man nicht verwenden sollte. Zum Beispiel an den Rollstuhl gefesselt. Das bringt mich auf die Palme, denn für mich ist der Rollstuhl ein Instrument der Mobilität. Ohne Rolli könnte ich nicht so stark am sozialen Leben außerhalb der Wohnung teilnehmen. Mit ihm bin ich überall dabei.

Warte: Worauf sollen Journalisten bei Berichten über behinderte Menschen achten?

Firscher: Ein Journalist sollte Formulierungen wie ‘der Behinderte’ oder ‘der Blinde’ nicht verwenden. Richtig ist ‘der behinderte Mensch.’ Die Behinderung ist nur eine Eigenschaft des Betroffenen, aber nicht die Haupteigenschaft. Der Mensch wird dadurch auf seine Behinderung reduziert. Auffällig ist auch, dass oft nach dem Armen-Hascherl-Prinzip berichtet wird. Das gefällt mir nicht.

Warte: Wird oft zu viel Mitleid ausgedrückt?

Fischer: Ja, so eine Art Überfürsorglichkeit, die oft zum Ausdruck kommt. Wenn über Menschen mit Down-Syndrom berichtet wird, darf man nicht in ein kindlisches Schema verfallen. Obwohl diese Leute manchmal ein kindliches Aussehen haben, sind sie meist Jugendliche oder Erwachsene. Uns so sollte der Journalist auch über sie berichten.

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Foto: Philipp Hubbe


Warte: Was fehlt Ihnen in den OÖN?

Fischer: Es gibt ja diese Straßenbefragungen. Toll wäre, wenn einmal ein Mensch im Rolli zu sehen wäre. Der Rolli soll dabei zu sehen sein, aber ohne Kommentar. Das würde den behinderten Menschen zeigen, dass auch sie gefragt werden. Oder allgemein bei Bildern – vom Jahrmarkt und Einkaufen zum Beispiel. Auch hier ist es wichtig, Fotos auszuwählen, worauf auch behinderte Menschen zu sehen sind. Diese Menschen gehören dazu. Vernachlässigt wird meiner Meinung nach auch die Berichterstattung aus dem Bereich Behindertensport. Diese Berichte sollen aber auch im Sport und nicht unter soziale Anliegen gebracht werden.

Warte: Sie geben auch Schulungen zum Thema richtiger Umgang mit behinderten Menschen. Was sind die wichtigsten Punkte?

Fischer: Es gibt zwei wichtige Punkte. Zum einen sollte man nicht überfürsorglich sein. Zum anderen: fragen, ob und wie man helfen kann. Ich merke, dass Leute oft unsicher sind. Es braucht keiner zu wissen, wie man behinderten Menschen hilft. Man kann jederzeit hingehen und fragen ‘kann ich helfen und wie’. Man hilft auch nicht ohne zu fragen. Das ist mir schon passiert. Ich warte bei einer Rampe auf jemanden und plötzlich packt mich jemand ohne Ankündigung und schiebt mich die Rampe rauf, obwohl ich das gar nicht wollte. Das ist ungut und gefährlich.

Warte: Fragen, aber auch ein Nein akzeptieren.

Fischer: Genau. Einfach weiter gehen und nicht nach drei Schritten stehen bleiben und schauen, ob er die Stufe tatsächlich alleine schafft.

Warte: Was erleben Sie so?

Fischer: Ich habe alles schon erlebt. Ärgerlich ist es, wenn ein Rollifahrer oder Kleinwüchsiger mit einer Begleitperson unterwegs ist, dieser eine Frage stellt und der Begleitperson geantwortet wird. Wenn der behinderte Mensch fragt, dann soll auch er die Antwort erhalten. Oder bestellen im Gasthaus. Die Bestellung läuft, der Rollifahrer ist an der Reihe und der Kellner fragt den daneben: ‘Und was kriegt er’?

Warte: Tatsächlich passiert?

Fischer: Das ist schon einigen Bekannten von mir passiert und ein massiver Grund, sauer zu werden.

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